Wortwahl medial

  • Harald Kretzschmar
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor ist Zeichner, Buchautor, Publizist und ND-Karikaturist
Der Autor ist Zeichner, Buchautor, Publizist und ND-Karikaturist

Worte fallen einem nicht einfach so zu. Wohlüberlegt Worte zu gebrauchen, ist nicht jedermanns Sache. Neues sagen kann nur, wer vorher Neues gedacht hat. Flotte Sprüche schinden nur kurz Eindruck. Der nur einigermaßen intelligente politische Mensch lebt heute von den Medien. Um wirklich von heute zu sein oder zu erscheinen, muss er ein zeitgemäß erscheinendes Vokabular zur Verfügung haben. Mittels der Medien sollen das gutbezahlte Kreativteams besorgen, die irgendwo im Verborgenen vorsorglich das Nachdenken für andere besorgen.

So jedenfalls hörte ich es letzthin in einer informativen Gesprächsrunde der Friedrich-Ebert-Stiftung. Dort hatte unter dem Stichwort »MachtWorte« der Referent Johanno Strasser laut darüber nachgedacht, welche merkwürdigen Worthülsen wir täglich über uns ergehen lassen. Hübsch war es ja, was er da von »Hausaufgaben machen« über »Standort Deutschland« bis »Gut aufgestellt« gesammelt hatte. Doch so kurios lächerlich manches davon klingt, Wörter der Macht sind es nicht. Wortmächtig schlagkräftig allein sind Schlagworte. Da gibt es jene Abwertungsvokabeln, die längst aus der politischen Mediensphäre über den täglichen Sprachgebrauch in die Geschichtsbücher lanciert werden.

Obwohl an jenem Abend eine SPD-Bundestagsabgeordnete mit einer Dame und einem Herrn vom journalistischen Gewerbe darum wetteiferte, bis zu »brutalstmöglicher Aufklärung« und »Wachstumsbeschleunigungsgesetz« das Thema auf die politische Spitze zu treiben, blieb es am Ende einer jener Immerimkreisherumdispute, bei denen es kein nennenswertes Ergebnis gibt. Bekannt vom Fernsehtalk. Eigentlich schade, dass selbst erfrischend muntere Stimmen aus dem Publikum nicht auf den wirklich wunden Punkt kamen.

Energisch wird die Verpflichtung postuliert, das Wort »Faschismus« zu vermeiden. Es soll nur für die vergleichsweise milde italienische Variante in Anwendung gebracht werden. Und das entgegen einem Konsens derer, die einen nicht nur verordneten »Antifaschismus« bis zur letzten Konsequenz gelebt haben, und alles »Faschistoide« nach wie vor bekämpfen. »Nazis« gibt es fast nicht mehr. Man sagt wohlklingend anzüglich »Nationalsozialisten«. Dafür gibt es statt »MfS« die »Stasi«. Früher wurde mit »Vopo« und »Zone« Abscheu ausgedrückt. Jetzt sind Kraftausdrücke wie »SED-Regime«, »Unrechtsstaat« und »DDR-Diktatur« die offiziell üblichen Bezeichnungen für eine offenbar schwer zu bewältigende Vergangenheit.

Nun gibt es ja glücklicherweise den Unterschied zwischen Schreibeworten und Redeworten. Was sich da aus den Gazetten und Kanälen heraus bis in historische Abhandlungen hinein an Abwertungsprosa sammelt, kann kein kommunikationsfreudiger Mensch seinem Gegenüber reinen Herzens ins Gesicht sagen. Privat. Wie tröstlich immerhin. Meint man. Doch in der Schule die Lehrkräfte sollen es abfragen. Doch in der Presse die Interviewer sollen es verwenden. Doch in den Historikertagungen soll es nicht mehr hinterfragt werden. Und es gibt Leute, die würden die einer plausiblen Logik entbehrende Wortschöpfung »Ehemalige DDR« gerne ein für allemal in einem dem Grundgesetz beigefügten Katechismus sehen.

Angesichts dessen dürfen wir uns alle mal Gedanken machen, wie wir den Bewertungen unserer Erinnerungen vielleicht mit anderen Worten Ausdruck verleihen könnten. Wortwähler könnten sich ja womöglich melden. Wenn da nicht eine rätselhafte Gruppierung davor wäre, deren bestimmende Kompetenz wir immer unterschätzen. Es ist die »Politische Klasse«. Kometengleich taucht diese Formulierung immer wieder auf. Niemand weiß so recht, wer dazu gehören darf und wer nicht. Was entscheidet da? Geistiges Vermögen? Oder doch eher materielles? Das große Geld? Welch hässliches Wort.

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