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Den Kopf musst du ausschalten

Eine Selbsterfahrung mit dem Segway in bayerischer Alpenlandschaft

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 4 Min.

»Das«, sagt Peter Beierl, »ist eine Genießertour!« »Aha«, denke ich und sehe hinunter auf das seltsame Gefährt, auf dessen Bodenplatte fünf grüne Leuchtdioden leuchten. »Jetzt kann’st aufsteigen«, sagt Peter, und dann stehe ich auf diesem Ding mit seinen zwei Rädern, die mit immerhin vier PS dahinrollen können, umklammere krampfhaft den fahrradähnlichen Lenker. Peter gibt freundliche Ratschläge: »Den Kopf, den musst du ausschalten!« »Aha«, denke ich wieder. Dann beginnt die mehrstündige Tour entlang des Obersalzberges bei Berchtesgaden.

Peter macht mit seiner Firma »Mountain Entertainment« alles, was man in den Bergen an Aktivitäten so anstellen kann: Vom Paragliding bis hin zu Segway-Touren. Teilnehmer sind manchmal Gruppen von Managern, die sich auf diese Weise geistig für den firmeninternen Kleinkrieg rüsten. Vor allem aber Touristen, wie die vierköpfige Familie Hover, die sich ebenfalls auf diesen High-Tech-Geräten vorwärtsbewegt.

Segway heißen diese ursprünglich aus den USA kommenden Gefährte, die eine Höchstgeschwindigkeit von 20 Stundenkilometern fahren können, eine Reichweite von 38 Kilometern haben und Strom »tanken«. Sie sehen ein bisschen aus wie auf modern gestylte antike Streitwagen – zwei Räder und eine Lenkgabel. Seit drei Jahren hat Peter Beierl geführte Segway-Touren im Programm, sechs verschiedene an der Zahl. Die heutige führt rund um das Kehlsteinhaus, das in schwindelnder Höhe am Fels klebt.

»Mit diesen Dingern zu fahren, macht einfach Spaß«, sagt Michael. Der 52-Jährige macht im Berchtesgadener Land Urlaub mit seiner Familie. Für sie ist es bereits ihre zweite Tour. Das ist sicher auch der Grund, warum sie unbekümmert Gas gibt und wie Zinnsoldaten aufrecht stehend auf ihren Elektrorollern dahinflitzt. Wir Anfänger bewegen uns vorsichtiger. Gewicht nach vorne verlagern: Das Ding fährt. Gewicht nach hinten verlagern: Das Ding bremst. Lenkstange nach links oder rechts: Es fährt nach links oder rechts. Sonst ist nichts. Kein Hebel, kein Gaspedal, keine Bremse. »Du musst einfach Vertrauen haben«, muntert uns Peter auf und sagt: »Dann pack’ mas«.

Solange ich mich auf gerader Ebene befinde, geht alles gut. Gewicht nach vorne verlagern, es bewegt sich. Lenkstange nach links: Es fährt nach links. Doch dann biegt Peter in einen Waldweg ein, und der führt ziemlich steil nach oben. »Den Kopf, den musst ausschalten«, erinnert er an die wichtigste Regel. Da spielt mein Kopf aber noch nicht mit und sagt: Wenn es so schräg nach oben geht, muss das der Körper irgendwie ausbalancieren, des Gleichgewichts wegen. Im Prinzip ist das auch richtig, dafür aber, so lasse ich mich belehren, sei nicht mehr mein Kopf zuständig. Sondern die eingebaute Technik. Die misst 100 Mal pro Sekunde sensorisch das sich verändernde Terrain und die Körperposition – schneller als mein Gehirn denken kann. Sagt der Werbeprospekt. Und es scheint zu funktionieren. Kurz mal das Gehirn auf null geschaltet und schon stehe ich unversehrt oben. »Geht doch«, sagt der Peter.

Wir fahren weiter über Stock und Stein, überqueren einige Straßen und nähern uns auf dem Waldweg wieder der Urlauberfamilie. Für den 16-jährigen Christian und die 15-jährige Sofia scheint Segway-Fahren das Normalste der Welt zu sein. Wir passieren eine Herde Kühe, die uns stoisch, doch mit einem gewissen Interesse mustert. Zwischendurch lichtet sich der Wald und gibt den Blick frei auf die Berge. Schließlich schwenkt unsere Kolonne nach rechts, und wir machen bei einer Berghütte Rast: Ich bin froh über die Pause, mir tun die Fußsohlen weh. »Das vergeht«, sagt Peter.

Eine gute halbe Stunde und mehrere Abfahrten später erreicht unser Konvoi die Scharitz-Kehl-Alm. Früher hat man hier die Pferde getränkt, heute stöpselt man Segways an die Steckdose an. Während sich die Akkus mit Strom aufladen, tun wir ähnliches mit Kasspatzen, Schweinebraten und Apfelschorle.

Gestärkt geht's bald weiter – lautlos rollend durch die eingezäunten Almwiesen. Was jetzt noch kommt, ist ein sehr schmaler Waldpfad, garniert mit Wurzeln und hölzernen Regenrinnen, ein munteres Auf und Ab entlang des »Höllgraben« und schließlich das Ausrollen auf dem Wiesenplatz, an dem das ganze Abenteuer begann.

»Was, sind wir schon da?« ruft enttäuscht der 16-jährige Christian. »Es tut gut, wieder auf eigenen Beinen zu stehen«, denke ich.

Infos: Mountain Entertainment, 83471 Berchtesgaden, Tel: (08652) 65 58 13, www.mountain-entertainment.de

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