Juristisch gegen die Volkszählung?

Der Datenschutzexperte Werner Hülsmann bereitet Widerstand vor / Der Diplom-Informatiker ist Mitglied im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Juristisch gegen die Volkszählung?

ND: Deutschland wird sich an der EU-weiten Zensusrunde 2011 mit einem registergestützten Verfahren beteiligen. Was kritisieren Sie daran?
Hülsmann: Bei der Volkszählung im nächsten Jahr geht es um eine umfängliche Erfassung von Menschen. Es sind vor allem zwei Punkte, die wir hier besonders monieren und die Gegenstand unserer Verfassungsklage sind. Die Daten sind nicht anonymisiert. So werden Namen, Anschrift und die Identifikationsnummer mehrere Jahre gespeichert. Über diese Identifikationsnummer ist die Zuordnung zu den Daten möglich. Dieses Vorgehen verletzt wichtige Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, das in seinem Urteil 1983 eine solche gemeinsame Ortungsnummer ausdrücklich verboten hat.

Was ist der andere Kritikpunkt?
Anders als bei der Volkszählung in der BRD 1987 werden diesmal nicht alle Einwohner befragt, sondern sollen die Datensammlungen von Behörden wie den Meldeämtern, der Bundesagentur für Arbeit und anderen öffentlichen Stellen zusammengeführt werden. Das halten wir für eine Zweckentfremdung, weil sensible, für einen begrenzten Zweck gesammelte Daten ohne Einwilligung der Betroffenen zusammengeführt werden.

Wie wehren Sie sich dagegen?
Mit einer Verfassungsbeschwerde will der Arbeitskreis Zensus des AK Vorratsdatenspeicherung diese Bestimmungen juristisch prüfen lassen. Auf unserer Homepage www.zensus11.de kann diese Beschwerde noch bis zum 12. Juli digital unterschrieben werden. Bisher haben sich dort ca. 8000 Menschen eingetragen. Wir denken, dass die Unterstützung in den nächsten Tagen noch wachsen wird.

Wehren Sie sich nur gegen diese Punkte oder lehnen Sie die Volkszählung generell ab?
Generell bezweifle ich den Sinn von Volkszählungen, weil sie nicht auf freiwilliger Basis erfolgen. Wenn es darum geht, eine Datenbasis für Planungen zu bekommen, kann diese über freiwillige, tiefergehende Untersuchungen von seriösen Meinungsforschungsinstituten gewonnen werden.

Gibt es Unterstützung für Ihre Initiative aus der Politik und den Gewerkschaften?
Die Diskussion über die Volkszählung im nächsten Jahr steht noch ganz am Anfang. Daher gibt es von den Parteien bisher kaum Reaktionen, auch nicht von den Grünen, die in den 80er Jahren den Widerstand gegen die Volkszählung mitgetragen haben. Nur die Piratenpartei hat sich bisher gegen die Volkszählung positioniert, was aber nicht verwundern dürfte. Auch bei den Gewerkschaften gibt es bisher keine Positionierung. Das könnte sich aber in Zukunft noch ändern, weil sie durch die Auseinandersetzung mit dem elektronischen Datenregister Elena für den Datenschutz stärker sensibilisiert sein dürften.

Planen Sie über den Rechtsweg hinaus weitere Aktionen?
Bis Mitte Juli konzentrieren wir uns auf die Verfassungsklage. Wir sind uns aber im Klaren, dass die Entscheidung auch negativ für uns ausfallen kann. Dann wird zu überlegen sein, wie mit kreativem Widerstand Daten verweigert werden können. Dazu werden wir sicher auch auf die Erfahrungen der Volkszählungsboykottbewegung der 80er Jahre zurückschauen.

Wichtig ist auch eine Auseinandersetzung mit möglichen rechtlichen Folgen einer Datenverweigerung, wie Zwangs- und Bußgelder. Denn wie in den 80er Jahren gibt es auch 2011 keine Wahlfreiheit. Genau das ist das entscheidende Problem bei der Volkszählung.

Fragen: Peter Nowak

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