Berlusconis »Maulkorb-Gesetz«

Nicht nur Italiens Journalisten sehen die Pressefreiheit in Gefahr

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
In Italien streiken am Freitag die Journalisten – es werden keine Zeitungen erscheinen, keine Nachrichtensendungen in Funk und Fernsehen laufen, und auch das Internet wird nicht informieren. Bei dem Streik geht es nicht um ökonomische Forderungen, sondern um sehr viel mehr: In Italien ist inzwischen die Pressefreiheit in Gefahr.

In diesem Punkt sind sich alle einig, rechte wie linke Journalisten, Staatsanwälte und Richter. Das neue Gesetz, das in Italien unter »Maulkorb-Erlass« oder »Knebel-Gesetz« bekannt ist und bereits von einer der beiden Parlamentskammer verabschiedet wurde, wird gleichermaßen der Justiz und der Pressefreiheit die Flügel stutzen. Schon vergangene Woche haben Tausende Journalisten, Kulturschaffende und Oppositionelle in Rom gegen das Gesetz der Regierung Berlusconi protestiert.

Es besteht aus zwei separaten Teilen: Zum einen beschränkt es die Möglichkeit für die Staatsanwälte, Telefone abzuhören oder »Wanzen« anzubringen. Das soll nur dann genehmigt werden, wenn man »sicher« ist, dass der Verdächtige eine Straftat plant und ausführen will. Die Justizbeamten, allen voran jene, die sich mit Ermittlungen gegen die Mafia und die Organisierte Kriminalität beschäftigen, sind überzeugt, dass ein solches Gesetz ihre Arbeit ungemein erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen würde.

Der zweite Teil des Gesetzes betrifft die Veröffentlichung von Telefonmitschnitten in der Presse. Dies wird absolut verboten und unter hohe Strafe gestellt. Journalisten, aber vor allem die Verleger der jeweiligen Medien sollen bis zu 450 000 Euro Buße zahlen, wenn sie Untersuchungsakten veröffentlichen, bevor die Justiz sie offiziell frei gibt, das heißt ein Verfahren angestrengt wird. Das – so die Journalistengewerkschaft und die Organisation der Medien-Verlage – würde vor allem für die kleineren und kritischen Zeitungen ein absoluter Todesstoß sein; aber auch in jeder anderen Redaktion werde fortan eine Zensur stattfinden. Mit dem »Knebel-Gesetz« würde man unterbinden, dass die Öffentlichkeit von den unlauteren Machenschaften der Mächtigen erfährt. Die Pressefreiheit, einer der Eckpfeiler einer jeden Demokratie, sei somit ernsthaft in Gefahr.

Die Regierung und Ministerpräsident Berlusconi, der dieses Gesetz zur Chefsache erklärt hat, argumentieren mit dem Schutz der Privatsphäre der Bürger. Dass damit seine Privatsphäre und die seiner Freunde und Verbündeten gemeint ist, liegt auf der Hand. Man möchte verhindern, dass die Bürger von den Sexskandalen, aber vor allem auch von den Korruptionsaffären erfahren, die in den vergangenen Jahren immer wieder Regierungsmitglieder betroffen haben und zu denen Medien verfängliches Material und Telefonmitschnitte zugespielt wurden.

Die Verbände und die Oppositionsparteien haben angekündigt, dass sie sich mit allen Mitteln gegen das Gesetz stemmen werden und – sollte es verabschiedet werden – zu zivilem Ungehorsam bereit sind. Aber auch innerhalb der Regierung hat sich Unmut breit gemacht. Kammerpräsident Gianfranco Fini, einer der Mitbegründer der Berlusconi-Partei »Volk der Freiheit«, hat gerade erklärt, dass es in einer Demokratie »nie zu viel Pressefreiheit« geben könne. Auch Staatspräsident Giorgio Napolitano ließ durchblicken, dass er möglicherweise nicht bereit sei, das »Maulkorb-Gesetz« zu unterzeichnen.

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