Expansive Lohnpolitik – jetzt!

  • Rudolf Hickel
  • Lesedauer: 3 Min.
»Erforderlich ist eine aktive Lohnpolitik, die am Ende die effektive Kaufkraft im Portemonnaie der Beschäftigten erhöht.«
»Erforderlich ist eine aktive Lohnpolitik, die am Ende die effektive Kaufkraft im Portemonnaie der Beschäftigten erhöht.«

Nach dem Absturz der Wirtschaft mit minus fünf Prozent 2009 gehen die meisten Prognosen für 2010 wieder von einem Realwachstum der Güter- und Dienstleistungsproduktion um zwei Prozent aus. Bei der Beschreibung der Triebkräfte dieses noch sehr instabilen Wirtschaftswachstums zeigt sich die ungebrochene Rückkehr zur gespaltenen Entwicklung vor der Krise. Die Warenexporte, derzeit insbesondere aus der Pkw-Produktion sowie dem Elektro- und Maschinenbau, übernehmen mit einem erwarteten Zuwachs von über zehn Prozent wieder die Führungsrolle der Konjunktur. Damit ist erneut die Wirtschaftsentwicklung von der Nachfrage aus importierenden Ländern sowie der Weltwirtschaft abhängig. Dieser Expansion ausländischer Nachfrage steht jedoch die Stagnation der Binnenwirtschaft gegenüber. 2010 wird mit dem Rückgang des privaten Konsums um mehr als einen halben Prozentpunkt gerechnet. Der bereits seit 2003 erkennbare Trend einer Entkopplung des privaten Konsums vom Wirtschaftswachstum scheint sich fortsetzen.

Wie lässt sich die fortgesetzte wachstumsbelastende Entwicklung des Privatkonsums erklären? Im Mittelpunkt stehen die Einkommen der privaten Haushalte. Neben den Sozialeinkommen entscheiden vor allem Löhne und Gehälter über die Nachfrage nach privaten Konsumausgaben. Die für die Kaufkraft entscheidenden Arbeitseinkommen sind seit Jahren rückläufig. Die Verteilungsverluste gegenüber Einkommen aus Gewinnen und Vermögen zeigt die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Lohnquote. Danach ist der Anteil der Bruttolöhne gemessen an der Bruttoinlandsproduktion von 72,2 Prozent (2000) fast kontinuierlich auf 67,4 Prozent (2009) gesunken. Gleichzeitig verzeichnete die »Gewinnquote« entsprechende Zuwächse.

Wird 2010 nicht gegengesteuert, werden die Bezieher von Arbeitseinkommen erneut Verteilungsverluste hinnehmen müssen. Diese Verweigerung der Teilhabe der Beschäftigten an den Einkommen aus der ökonomischen Wertschöpfung ist nicht nur ungerecht. Vielmehr ist sie, wie der stagnierende Privatkonsum zeigt, gesamtwirtschaftlich schädlich. Es fehlt an ausreichender konsumtiver Nachfrage, um Produktionskapazitäten auszulasten und Sachinvestitionen der Firmen zu veranlassen.

Die Rückkehr auf den Pfad der gesamtwirtschaftlichen Fehlentwicklung, die auch zum gesamtwirtschaftlichen Produktionseinbruch 2009 geführt hat, muss verhindert werden. Erforderlich ist eine aktive Lohnpolitik, die am Ende die effektive Kaufkraft im Portemonnaie der Beschäftigten erhöht. Vorrang gilt jetzt der Binnenwirtschaft. Die Politik der Verteilungsverluste zu Lasten der Beschäftigten muss ein Ende finden.

Denn die Gewinne eilen im Aufschwung den Löhnen und Gehältern voraus. Dabei fließen erstere überwiegend nicht in Sachinvestitionen, sondern auf die Finanzmärkte. Während diese Gewinnverwendung binnenländische Nachfrage entzieht, lassen zurückbleibende Arbeitseinkommen eine ausreichende konsumtive Nachfrageentfaltung nicht zu. Zur gesamtwirtschaftlich gebotenen Erhöhung der Arbeitseinkommen dienen die beiden Hebel: Die Lohnzuwächse müssen mittelfristig mindestens an der Produktivitätsentwicklung und an der Inflation ausgerichtet werden. Über alle Branchen hinweg wäre nach dieser Regel mindestens eine Lohnerhöhung um rund drei Prozent geboten. Zusätzlich sollte die Ausweitung des Niedriglohnsektors gestoppt werden – Mindestlöhne müssen her. Diese Lohnpolitik kann der Binnenkonjunktur auf die Sprünge helfen.

In der wöchentlichen ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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