Es ist noch Platz im »Atomklo«

Im Zwischenlager Lubmin werden Castoren erwartet – am Wochenende sind Proteste geplant

  • Velten Schäfer, Schwerin
  • Lesedauer: 3 Min.
Kernkraftgegner mobilisieren nach Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern), um gegen Castor-Transporte ins dortige Zwischenlager zu protestieren. Dessen Betreiber wehren sich gegen die Vorwürfe der Kritiker.

Nein, Marlies Philipp sieht sich »nicht als Hauptgegnerin«. Gewissermaßen kann die Sprecherin der Lubminer Energiewerke Nord (EWN) die Demonstranten sogar verstehen, die sich für Sonntag angekündigt haben: »Es geht da allgemein um Atompolitik. Transporte von Atommüll sind nur ein Aufhänger«, sagt sie. Und würden nicht, wenn sich die Kernkraftgegner heute durchsetzten, die EWN morgen mehr gebraucht denn je? Das bundeseigene Unternehmen hat sich zu einem der führenden Experten für die Demontage kerntechnischer Anlagen entwickelt. Um einen Schulterschluss wird es den Demonstranten am Sonntag aber nicht gehen. Seit bekannt wurde, dass 2010 – einen Termin gibt es laut Philipp noch nicht – insgesamt neun Behälter mit hochradioaktiven Abfällen aus dem Versuchsreaktor in Karlsruhe und dem einst kerngetriebenen Forschungsschiff »Otto Hahn« im Zwischenlager der EWN erwartet werden, geht im Nordosten das Wort vom »Atomklo« um.

Mehr Kapazität als gedacht

Erstmals werde in Lubmin, wo nur der strahlende Abfall aus DDR-Produktion habe gelagert werden sollen, hochgefährlicher Atommüll aus dem Westen abgestellt, sagen die Kritiker. Doch von »Dammbruch« könne keine Rede sein, wehrt sich Philipp. Nur eine der acht Hallen im Zwischenlager sei für sensible Abfälle wie die jetzt erwarteten Brennstäbe vom Forschungsschiff überhaupt zugelassen. Von 80 »Plätzen« seien 65 mit Lubminer und Rheinsberger Abfällen belegt. Nun kommen neun weitere Behälter hinzu – was Platz für maximal weitere sechs Behälter ließe. Es sei nicht auszuschließen, dass diese auch noch belegt werden, heißt es bei den EWN. Aber es lägen »keine Anfragen vor«.

Damit widerspricht Philipp früheren Angaben des Schweriner Innenministers Lorenz Caffier (CDU). Der hatte vor Kurzem von 74 Plätzen in der Halle für sensible Abfälle gesprochen, womit das Lager nach der jetzigen »Lieferung« voll gewesen wäre. Caffier ist allerdings nur für die leichteren Abfälle in den anderen Hallen zuständig.

Anti-Atomkraft-Gruppen aus dem städtisch-studentischen Milieu von Rostock und Greifswald haben für das Wochenende zu »Aktionstagen« ausgerufen. Am Sonntag wollen sie mit einem Fahrradkorso aus Greifswald und einer Demonstration, die um 12 Uhr am Alten Bahnhof in Lubmin beginnen soll, in der Nähe des Zwischenlagers protestieren. Am Samstag gibt es eine Veranstaltung und ein Vernetzungstreffen mit dem »Baltic Sea«-Netzwerk, einem internationalen Zusammenschluss von Kernkraftkritikern, das auch vor einer radioaktiven Verschmutzung der ohnehin geplagten Ostsee warnt.

Ermittlungen gegen EWN

Gegen die EWN hatte es im Frühjahr sogar staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen strahlender Abwässer gegeben, die aber ergebnislos eingestellt wurden. 1999 kam der erste Behälter nach Lubmin. Zwischenlager sind auf 40 Jahre befristet – ab dem ersten Castor. 2039 ist demnach Schluss mit dem Atommüll am Bodden. Dann, davon geht das Gesetz aus, habe man ein Endlager gefunden. Oder man verlängert die Fristen. Oder »wir bringen es wieder in Aufbereitungsanlagen, wie andere auch«, lacht EWN-Sprecherin Philipp. Das zumindest wollen die Demonstranten ganz sicher verhindern.

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