Bauchschmerzen

Martin Kröger hat Bedenken bei Google Street View

  • Lesedauer: 2 Min.

Es ist so ein diffuses, unbestimmtes Gefühl. Da preist ein Großkonzern sein jüngste Produkt als absolut faszinierend und zukunftsweisend an. Wie in der Realität könne man sich künftig mit einer 360-Grad-Sicht in ganz Berlin bewegen, und das alles, ohne überhaupt in die Stadt zu kommen, sondern völlig entspannt vom eigenen Computer-Bildschirm aus. So wirklichkeitsfremd, wie die Offenbarung noch vor ein paar Jahren erschienen wäre, ist sie indes nicht mehr. In über einem Dutzend Ländern läuft Google Street View bereits.

Doch in Berlin regt sich jetzt erneut Widerstand gegen das Vorhaben. Bürger sollen Widerspruch gegen die Abbildung ihrer Wohnungen und Häuser einlegen, fordern Politiker. Dass das überhaupt möglich ist, ist bereits ein Zugeständnis an das Persönlichkeitsrecht, das Google machen musste. Noch besser wäre es freilich, wenn der Konzern vorher die Bürger fragen müsste, ob sie damit einverstanden sind, wenn ihr Zuhause für alle im Internet gestochen scharf erscheint. Doch das ist illusorisch, vorher würde Google Street View fallen lassen.

Dass die Bauchschmerzen berechtigt sind, zeigte sich allerdings bereits beim Fotografieren der Straßenlandschaften. Ganz nebenbei scannten die Google-Autos auch private Computernetzwerke. Inzwischen sei alles gelöscht, heißt es reumütig. Außerdem würden Autos und Menschen ab sofort automatisch von einer Software unkenntlich gemacht. So die Persönlichkeitssphäre optimal gewahrt, besänftigt Google.

Seltsamerweise wirkt die Beruhigungspille nicht. Der Zweifel bleibt. Denn machen wir uns doch nichts vor: Bei Google Street View geht es nicht um eine bunte, weichretuschierte Welt für Internetnutzer, sondern um kommerzielle Interessen. Der Nutzen entsteht durch Werbung und Verknüpfung von Daten, die in der dreidimensionalen Welt möglich sein wird. Genau mit diesen persönlichen Daten wurde aber oftmals unsensibel umgegangen, daher rührt auch das Unbehagen.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.