Krisenende mit Risiken

Wirtschaftsbranchen melden Anstieg der Nachfrage um bis zu 60 Prozent

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
»Die Krise ist vorbei«, schreibt die wirtschaftsnahe Presse. Ein Eindruck, den die deutsche Volkswirtschaft nicht allein bei den Medien hinterlässt: Der Exportmotor brummt und die Quartalszahlen der großen Konzerne und Banken weisen wieder Gewinne aus. Selbst Klein- und Mittelständler melden Umsatzwachstum. Der Aufschwung ist augenfällig. Eher unsichtbar sind dagegen die Risiken.

Auch die größte deutsche Gewerkschaft, die IG Metall, hat die »Nachkrisenzeit« eingeläutet. In der ersten Tarifrunde der Metaller, in der Stahlbranche, wird nicht länger die Beschäftigungssicherung im Mittelpunkt stehen, sondern höhere Löhne. »Die Party findet zur nächsten Tarifrunde statt«, prescht der Verhandlungsführer der IG Metall, Oliver Burkard, vor. Automobilindustrie und Zulieferer laufen wieder rund, und der Maschinenbau meldet für Juni einen Anstieg der Nachfrage um 60 Prozent.

Doch nicht allein in der Industrie geht es aufwärts. So meldete die staatliche Förderbank KfW für Handwerk und Gewerbe einen »Rekordanstieg in der Sommerpause«. Das mittelständische Geschäftsklima erreichte im Juli den größten Zuwachs innerhalb eines Monats seit der ersten Erhebung im Jahr 1991. Ähnlich positiv verläuft dass Geschäft der Großunternehmen. »Der aktuelle Aufwärtstrend«, so die KfW-Bank, »ist weiter intakt.« Das gilt auch für Kreditinstitute und Versicherungen. Selbst die in der Krise teilverstaatlichte Commerzbank hat im zweiten Quartal einen Milliardengewinn eingefahren.

Allerdings sollte keine Erfolgsmeldung überbewertet werden. So stieg zwar der Umsatz im Großhandel um beeindruckende 7,1 Prozent an, aber die aktuelle Veränderungsrate bezieht sich auf eine niedrige Basis, dem Tiefpunkt der Krise vor einem Jahr. Nach wie vor basiert das Wachstum vornehmlich auf dem Export. In der Krise hatte sich die extreme Exportorientierung der deutschen Wirtschaft als besonders anfällig erwiesen, nun begünstigt sie den schnellen Wiederaufstieg, weil woanders die Konjunktur-Lok kräftig anzieht. Im Mai legten die Ausfuhren um 28,8 Prozent auf rund 80 Milliarden Euro zu.

Hier liegen aber auch Risiken für einen nachhaltigen Aufschwung. Immer mehr Ausfuhren gehen nach Asien und vor allem nach China. Damit wächst die Abhängigkeit von deren wirtschaftlicher Entwicklung. Jetzt hat Peking die Handbremse angezogen, um eine Überhitzung der Konjunktur-Lok zu verhindern. Auch Signale aus den USA verheißen nichts Gutes für den Exportvizeweltmeister Deutschland. In Amerika will die Wirtschaft nicht recht anspringen.

Auf ein weiteres Risiko weist Professor Rudolf Hickel hin: Die staatlichen Konjunkturprogramme, die gegen die Krise aufgelegt wurden, laufen nicht allein in Deutschland aus und »wichtige Staaten sind dabei, sich kaputt zu sparen«. Diese Bremsspuren, warnt der Wirtschaftsweise Peter Bofinger in den WSI-Mitteilungen, bedrohen Europa mit einer Deflation wie in Japan. Das ebenfalls vorrangig auf den Export setzende Land stagniert seit den neunziger Jahren nahe dem »Nullwachstum«.

Die deutsche Exportausrichtung könnte spätestens 2011 von der internationalen Entwicklung ausgebremst werden. Die strukturellen Handelsüberschüsse setzen die deutsche Wirtschaft den Risiken der Weltwirtschaft in besonders hohem Maße aus. Gustav Horn vom gewerkschaftsnahen Forschungsinstitut IMK empfiehlt daher eine Neuorientierung in Wirtschaft und Politik, welche die »einseitige Ausrichtung auf Exporterfolge« beendet. Modellrechnungen des IMK zeigen, dass eine stärkere Binnenmarktorientierung wie in Frankreich die deutsche Wirtschaft auf Dauer stärker beflügeln würde, als dies Exporte können. Höhere Löhne sind also volkswirtschaftlich erwünscht.

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