In Rom werden die Karten neu gemischt

Schlammschlacht zwischen Silvio Berlusconi und Gianfranco Fini

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Krach zwischen Silvio Berlusconi und Gianfranco Fini hat die italienische Politik aufgewühlt. Während der Ministerpräsident vor allem in den Medien seine Truppen formiert, sind auch in der Opposition hektische Aktivitäten ausgebrochen. Wird es im November Neuwahlen geben? Und wenn ja, wer könnte da mit wem koalieren?

Nach der Spaltung seiner Mehrheitspartei Volk der Freiheit und der Abkehr von Kammerpräsident Gianfranco Fini versucht Silvio Berlusconi derzeit, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen. Ihm ist klar, dass seine Regierung eigentlich keine Mehrheit hat und er den »Finianern« im Parlament auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Wenn sie dagegenstimmen, können sie jedes Gesetz blockieren, und will Berlusconi etwas durchsetzen, muss er vorher mit seinem Erzfeind Fini in Verhandlungen treten. Für den siegesgewohnten Alleinherrscher Berlusconi ist dieser Zustand offensichtlich auch psychologisch unerträglich und so sucht er verzweifelt nach einem gangbaren Ausweg.

Seine Idee – aber vielleicht handelt es sich ja auch nur um einen medienwirksamer Coup – ist folgende: Er will eine Art neues Regierungsprogramm mit einigen wenigen Punkten auflegen und im Herbst die Vertrauensfrage stellen. Sollten Fini und seine Gefolgsleute dagegenstimmen, hätten sie zumindest für die Öffentlichkeit den »Schwarzen Peter« in der Hand und man könnte sie bei einer möglichen Wahlkampagne als »Verräter« darstellen.

Tatsächlich scheint Berlusconi auf Neuwahlen zu setzen, um weiter an der Macht zu bleiben. Und dafür formiert er schon seine Truppen, in erster Linie in den Medien. Er hat bereits angekündigt, dass er in den kommenden Monaten in möglichst vielen Fernsehsendungen auftauchen will, um wieder den »treu sorgenden Landesvater« zu mimen. Seine Zeitungen und Journalisten sind in der Zwischenzeit damit beschäftigt, Fini und dessen Anhänger möglichst in den Dreck zu ziehen. Da werden vermeintliche Steuerdelikte ausgegraben, oder es wird unter die Gürtellinie geschossen und immer wieder erklärt, dass Berlusconi gut und stark und Fini böse und schwach sei.

Aber auch der andere Bündnispartner, die Lega Nord, kommt in Berlusconis Medien im Augenblick nicht allzu gut weg. Der Ministerpräsident fürchtet, dass die ausländerfeindliche und rassistische Partei vor allem im Norden bei den Wählern besser ankommen könnte als das Volk der Freiheit. Die Horrorvorstellung für Berlusconi sieht so aus, dass die Lega sogar relative Mehrheitspartei werden und sein Volk der Freiheit zur »Restmenge« schrumpfen könnte.

Ein Teil der Opposition setzt hingegen auf ein Übergangskabinett. Sollte Berlusconi stürzen, will man eine »technische Regierung« ins Leben rufen, die einige wichtige Reformen umsetzt, das Land aus dem schlimmsten wirtschaftlichen Schlamassel zieht und ein neues Wahlgesetz verabschiedet. Als mögliche überparteiliche Ministerpräsidenten werden im Augenblick vor allem der ehemalige FIAT-Chef Luca Cordero di Montezemolo und der derzeitige Wirtschaftsminister Giulio Tremonti gehandelt, die Italiens Bonität gegenüber den Märkten und der EU garantieren sollen.

Wenn man dann weg vom Mehrheits- und wieder hin zum Verhältniswahlrecht kommen würde, könnte sich auch eine neue große konservative Zentrumspartei formieren, in die Fini, die Christdemokraten und katholische Teile der Demokratischen Partei eingehen. Während sich die Demokraten noch abwartend verhalten, setzt ein anderer Teil der Opposition auf baldige Neuwahlen. Vor allem »Linke, Ökologie und Freiheit« von Nichi Vendola und »Italien der Werte« von Antonio di Pietro versprechen sich von einem schnellen Urnengang beachtliche Erfolge, weil sie sich dem Wahlvolk als »einzig wahre Berlusconi-Gegner« präsentieren könnten.

Wenn der August in den vergangenen Jahren immer ein Monat war, in dem nichts passierte und man über die üblichen Sommerthemen redete, können sich Italiens Politiker 2010 keinen wirklichen Urlaub leisten. In diesen Wochen werden offensichtlich die Weichen für die kommenden Jahre gestellt. Und jede Partei muss sich auf Neuwahlen vorbereiten, die – will man Lega-Chef Umberto Bossi glauben – schon im November stattfinden könnten.

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