Demonstriert wird nicht

Bad Nenndorf: Landkreis verbietet Naziaufmarsch – und Gegendemo gleich mit

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein für diesen Samstag angekündigter Aufmarsch von Neonazis im niedersächsische Bad Nenndorf ist verboten worden. Der Landkreis Schaumburg als zuständige Versammlungsbehörde untersagte gestern gleichzeitig eine vom Deutschen Gewerkschaftsbund angemeldete Gegendemonstration des Bündnisses »Bad Nenndorf ist bunt«. Der DGB will Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen.

Eine Kreissprecherin begründete das Verbot des »Trauermarsches« der Nazis und der Demonstration gegen den Aufzug in Bad Nenndorf am kommenden Wochenende auf Anfrage mit einer verschärften Sicherheitslage. Die Polizei habe Erkenntnisse, dass viele gewaltbereite Demonstranten aus dem rechten wie aus dem linken Spektrum in die Kurstadt kommen wollten. Die Einsatzleitung habe nicht genügend Kräfte, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu garantieren. Insgesamt rechneten die Behörden mit mehr als 1000 Nazis und 3000 bis 4000 Gegendemonstranten.

Der DGB will dieses Verbot keinesfalls akzeptieren. »Wir werden vor dem Verwaltungsgericht Hannover im Eilverfahren Widerspruch einlegen«, sagte Regionschef Sebastian Wertmüller. Schon aus taktischen Gründen müssten die Gewerkschaften das Verbot anfechten. Es sei davon auszugehen, dass auch die Neonazis gegen die Entscheidung vorgingen. »Wenn wir keinen Widerspruch einlegen, dürften die Neonazis im schlimmsten Fall demonstrieren und wir nicht«, befürchtet Wertmüller.

Das Verwaltungsgericht hatte sich bereits am Dienstag mit den Demonstrationen in Bad Nenndorf befasst. Neonazis und DGB hatten gegen zuvor verfügte Auflagen des Landkreises Widerspruch eingelegt. Das Gericht legte die Verfahren zusammen, lud beide Seiten und den Landkreis aus »ökonomischen Gründen« zu einem Erörterungstermin. Die Neonazis blieben dem Termin fern, das Gericht kam zu keinem Ergebnis. »Wir warten die Entscheidung des Landkreises ab«, hieß es nach der Anhörung. Bei einem Verbot würden die Auflagen ohnehin hinfällig und die Eilverfahren erledigt.

Die Auflagen waren von Nazigegnern scharf kritisiert worden. Der Landkreis hatte unter anderem angeordnet, dass die Personalien aller von den Gegendemonstranten benannten Ordner der Polizei vorab gemeldet werden müssen. Demonstrationsteilnehmer dürften keine schwarze Kleidung tragen. In dem Auflagenbescheid hieß es dazu: »Zu dem zu verhindernden einheitlichen Bekleidungsbild gehört auch das Tragen durchweg dunkler Kleidung wie zum Beispiel Pullover mit Kapuze und ohne, Hemden, Longsleeves, T-Shirts, Poloshirts, Halstücher, Baseballkappen und Mützen in geschlossenen Blöcken.«

Neonazis veranstalten bereits seit 2006 »Trauermärsche« zum Bad Nenndorfer Wincklerbad, in dem die britische Armee von 1945 bis 1947 ein Verhörzentrum für Naziverbrecher eingerichtet hatte. Auch prominente SS- und NSDAP-Leute waren dort zeitweise interniert. Durch einen Bericht der englischen Zeitung »Guardian«, der Ende 2005 erschien, bekamen die Neonazis Wind vom »War Crime Headquarter Bad Nenndorf«.

Ihre Versuche, Bad Nenndorf als Ersatz für die seit 2005 verbotenen Aufmärsche für Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess im bayerischen Wunsiedel zum neuen Wallfahrtsort der Szene zu machen, waren erfolgreich: im vergangenen Jahr zogen mehr als 700 Nazis durch den Ort. Bis 2030 haben die Nazis schon Märsche in Bad Nenndorf angemeldet. Aber auch der Protest wuchs ständig. Standen 2006 nur ein paar Bürger mit Transparenten an der Straße, so stellten sich 2009 bereits mehr als 2000 Menschen den Rechten entgegen.

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