Wie ein notarielles Schuldanerkenntnis wirkt

Arbeitsrecht

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Dem Filialleiter eines Getränkemarkts fielen bei der Inventur beträchtliche Fehlbestände an Leergut auf. Daraufhin ließ er über der Getränkekasse eine – für die Angestellten nicht sichtbare – Videokamera installieren. Die Auswertung der Aufnahmen zeigte, dass einer der Verkäufer Geld unterschlug, innerhalb von nur drei Arbeitstagen einen Betrag von 1120 Euro. Nun prüfte der Arbeitgeber die Kassenabrechnungen der letzten zwei Monate und errechnete einen Schaden für diesen Zeitraum von über 110 000 Euro.

Mit diesen Fakten konfrontierte der Filialleiter den Angestellten im Beisein der Betriebsratsvorsitzenden. Der Verkäufer gestand, schon seit vier Jahren regelmäßig Geld genommen und dies mit fingierten Pfandbonzetteln kaschiert zu haben. Der Arbeitgeber bestand darauf, dass der angestellte Verkäufer ein von einem Notar ausgestelltes Schuldanerkenntnis unterzeichnete.

Der Verkäufer gab zu, etwa 113 000 Euro unterschlagen zu haben und verpflichtete sich, die Summe plus Zinsen in monatlichen Raten von 200 Euro zurückzuzahlen.

Später bereute der Übeltäter sein Nachgeben, focht das notarielle Schuldanerkenntnis an und forderte die Urkunde heraus: Wie man ihn überführt und schließlich zu einem Geständnis genötigt habe, sei sittenwidrig gewesen.

Wer ein Schuldanerkenntnis unterzeichne, gebe damit auch solche Einwände dagegen auf, urteilte das Bundesarbeitsgericht. Die hätte der Täter vor der Unterschrift erheben müssen.

Nachträglich könne er gegen das Schuldanerkenntnis nicht einwenden, man habe ihn auf unzulässige Weise dazu gebracht. Zwar sei die Summe hoch, zu deren Rückzahlung er sich verpflichtete. Doch sei der Schadensbetrag geradezu vorsichtig kalkuliert – gemessen an dem, was der Verkäufer gestanden und der Arbeitgeber an Verlust errechnet habe.

Die Drohung mit einer Strafanzeige erscheine angesichts der Fakten keineswegs unverhältnismäßig.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Juli 2010, Az. 8 AZR 144/09

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