Faszination Steinadler

Im Nationalpark Berchtesgaden ist der König der Lüfte willkommen

  • Steffi Schweizer
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie andere Raubtiere auch war der Steinadler Mitte des 20. Jahrhunderts in Deutschland fast ausgerottet. Ein Viertel aller in Deutschland vorkommenden Steinadler lebt heute in der Region des Nationalparks Berchtesgaden, wo man sich um die Vermehrung des Bestands bemüht.

Besitzanzeigend kreisen die Steinadler über der Nordwand der Bayerischen Alpen mit ihren unzugänglichen Felsformationen. An der Flügelform sind sie zu unterscheiden. Das Weibchen ist größer als das Männchen und die Zeichnung der Gefieder, auch markante Lücken, erlauben eine genaue Zuordnung. Aber Vorsicht: Steinadler stehlen die Kinder aus der Wiege und holen die Lämmer von der Weide. Solche Legenden waren Schuld, dass der König der Lüfte in den letzten 400 Jahren erbarmungslos gejagt und so gut wie ausgerottet wurde.

Seit Jahren sorgt im Nationalparks Berchtesgaden der Biologe Ulrich Brendel mit seinem Team dafür, dass sich die Steinadler wohlfühlen und vermehren. Ein Monitoring-Programm erfasst ihre Entwicklung in dem 1500 Quadratkilometer großen Gebiet. Es gibt Flugbeschränkungen für Bundeswehr, Polizei, Grenzschutz, Rettungsdienste sowie Drachen- und Gleitschirmflieger. Experten, Praktikanten und Helfer der Parkverwaltung sind im Einsatz. Der Freistaat Bayern unterstützt das Projekt mit rund 15 000 Euro jährlich. Aber trotz aller Bemühungen zeichnet sich für 2010 ein schlechtes Jahr ab. »Von elf brütenden Paaren haben acht die Brut aufgegeben. Nur drei Jungadler sind übrig«, sagt Ulrich Brendel. Anfang Juli waren es noch fünf. Über die Gründe kann er nur spekulieren. »Das nasse Frühjahr, speziell der kalte Juni, dürften eine Rolle gespielt haben.«

Adlerpärchen bleiben ein Leben lang zusammen. Im Februar beginnen sie mit der Balz, pflegen ihre Horste und bereiten die Eiablage vor. Da jedes Paar mehrere Horste nutzt und von Jahr zu Jahr wechselt, ist die Überwachung mit Kameras schwierig. Manche bleiben trotz intensiver Suche unbekannt. Wurde ein Adlerjunges erfolgreich flügge, steigen die Helfer im Herbst in den leeren Horst, bergen Beutereste und Federmaterial. Das ist wichtig zur Analyse der Verwandtschaftsbeziehungen. Wurde die Brut abgebrochen, suchen Brendel und seine Leute akribisch wie kriminalistische Ermittler Hinweise zu den Ursachen. Im letzten Jahr, erzählt Brendel, »verschwand« im Revier Hochkranz ein zuvor registrierter Jungvogel aus dem Horst. Ein früher Ausflug? Nachdem der Jungvogel nirgendwo im Revier mehr auftauchte, stiegen Kletterer in den Horst. Sie fanden das Junge zusammen gekauert in einer schattigen Ecke: verhungert. Über die Ursachen diskutieren die Wissenschaftler leidenschaftlich, doch nicht immer gibt es eindeutige Ergebnisse. Bei allem schätzt Ulrich Brendel die Entwicklung jedoch nicht als Besorgnis erregend ein. »Wir sind mit der Population zufrieden und wissen, mehr geht nicht«, sagt er.

Steinadler gelten als Schlüsselarten, sowohl in der Wissenschaft als auch in der Umweltbildung. Brendel nennt sie »Türöffner zu den Köpfen und Herzen der Menschen«. Unter dem Titel »Ins Tal der Adler« bietet die Nationalparkverwaltung wöchentlich geführte Touren an. Im vergangenen Jahr haben über 1000 Besucher daran teilgenommen. Brendel weiß warum: »Wo sich der Steinadler wohl fühlt, ist die Welt noch in Ordnung.«

Infos: www.nationalpark-berchtesgaden.de


Lexikon: Adler

Als Adler bezeichnet man gemeinhin große Greifvögel aus der Familie der Habichtartigen, die genau genommen aber zu verschiedenen Gattungen gehören. Gemeinsam ist ihnen ein kräftiger Hakenschnabel. Ihre Flügelspannweite liegt meist über 1,2 Metern. Die in Deutschland noch heimischen Steinadler und Schreiadler gehören zur Gattung der sogenannten Echten Adler, während die ebenfalls noch bei uns brütenden Seeadler mit sieben weiteren Arten eine eigene Gattung bilden. Der Fischadler hingegen wird von den Biologen heute meist einer eigenen Familie zugerechnet.

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