Premieren-Flop

Kurz vor der Rede des EU-Kommissionschefs am Dienstag lenkte das Präsidium des Europaparlaments ein: Schwänzenden Abgeordneten sollten doch nicht die Spesen gekürzt werden. Dabei war die Sorge, Barroso könnte vor weitgehend leeren Rängen sprechen, ohnehin unbegründet. Schließlich handelte es sich bei der »Rede zur Lage der Union« um eine Premiere, die sich kein Parlamentarier entgehen lassen wollte.

Unklar blieb jedoch, was Barroso mit seinem Auftritt bezweckte. Wohl in erster Linie eine Ruhigstellung des Parlaments. Der Lissabon-Vertrag hatte den Abgeordneten erweiterte Mitsprache- und Mitentscheidungsrechte eingeräumt, die diese zum Ärger Brüssels zumindest teilweise nutzten. So ließen die Parlamentarier den ersten Vorschlag der EU-Kommission zum Bankdatentransfer an die USA durchfallen und setzten eigene Vorstellungen zur Finanzaufsicht durch.

Allerdings floppte der EU-Spitzenbeamte mit seinem Anliegen. Vor allem das, was er nicht sagte, sorgte für Widerspruch. Kein Wort zum Abwälzen der Krise auf die Bürger oder zur wachsenden sozialen Kluft in Europa, kein Wort zur Abkehr von Klimazielen oder zur Repression gegen Roma in Frankreich – obwohl sich Brüssel beim Minderheitenschutz zum Vorkämpfer erklärt hat. Nicht zuletzt diese Ignoranz sorgt dafür, dass weniger als die Hälfte der »europäischen Bürger« heute glauben, die EU-Mitgliedschaft sei eine gute Sache. Das ist die Lage der Union.

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