Konstruktionsfehler bei Baureihe 69

Durch langen AKW-Betrieb zunehmende Wahrscheinlichkeit für Risse an Reaktordruckbehältern

  • Lesedauer: 2 Min.
Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW hat vor dem möglichen Bersten von Reaktordruckbehältern in einigen deutschen Atomkraftwerken in Folge von »gravierenden Konstruktionsfehlern« gewarnt.

Berlin (AFP/ND). Die IPPNW teilte am Donnerstag in Berlin mit, die Schweißnähte in älteren Siedewasserreaktoren der sogenannten Baureihe 69 seien nach aktuellen Berechnungen eines »unabhängigen Instituts für Bruchmechanik« teils höheren Belastungen ausgesetzt als erlaubt. Bei Störfällen könne es zum Bruch der Nähte am Reaktordruckbehälter kommen, was zum Versagen der Kraftwerkskühlung und einer Kernschmelze führen könne.

Atommeiler der deutschen Baureihe 69 stehen in Brunsbüttel und Krümmel in Schleswig-Holstein, Isar 1 in Bayern sowie Philippsburg 1 in Baden-Württemberg. Sie gelten bei Atomkritikern aufgrund ihrer Konstruktionsweise vor allem im Bodenbereich des Reaktordruckbehälters seit langem als potenziell anfällig. In den Druckbehältern strömt Wasser um die Brennstäbe und wird durch die Hitze der atomaren Kettenreaktion unter hohem Druck auf fast 300 Grad Celsius erwärmt. Der dabei entstehende Wasserdampf treibt Turbinen zur Stromerzeugung an.

Nach Darstellung der IPPNW haben neue Untersuchungen nun den Verdacht bestätigt, dass die Schweißnähte des Reaktordruckbehälters vor allem im kritischen Bodenbereich höheren Belastungen ausgesetzt seien als eigentlich erlaubt. Die Spannungen erreichten Werte von 325 Newton je Quadratmillimeter, wobei laut Genehmigung lediglich 177 Newton und gemäß TÜV-Vorgaben höchstens bis zu 280 Newton je Quadratmillimeter zulässig seien.

Durch langjährige Beanspruchungen während des Betriebs leide nach Meinung von Experten das Material zusätzlich, erklärte die Ärzte-Organisation. Das bedeute auch, dass »es mit zunehmender Wahrscheinlichkeit zu einem Riss in der Bodenschweißnaht des Reaktordruckgefäßes kommen kann«. Die schwarz-gelbe Bundesregierung will die Laufzeiten von Atomkraftwerken um durchschnittlich zwölf Jahre verlängern.

Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts sehen in längeren Laufzeiten eine große Gefahr für den Ausbau der Öko-Energien. »Das Argument ist falsch, dass eine Laufzeitverlängerung dem Einstieg in die erneuerbaren Energien dient«, sagte Professor Eicke Weber am Donnerstag in Berlin. So sei seit 2008 mit immer stärkeren Öko-Strom-Anteilen die Erzeugung von Kernenergie deutlich zurückgegangen. »Schon heute stellen wir mehr Strom her, als wir verbrauchen.« Das 2002 festgelegte Abschaltszenario sei daher der »eindeutig richtige Weg«.

Auch Brunsbüttel betroffen Foto: dpa

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