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Leseprobe

Die Vertretung

  • Lesedauer: 2 Min.

Im Jahr 2004 starb mit Günter Gaus einer der Protagonisten der Deutschlandpolitik der Bundesrepublik, ein Zeitzeuge und Meinungsführer. Als erster Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der DDR war der Journalist Gaus Akteur der Zeitgeschichte, er prägte dieses ungewöhnliche Amt durch seine Persönichkeit und war zugleich gebunden an die politische Linie der Bundesregierung. Als Politiker wie als Publizist personifizierte er eine Denkrichtung, die deutsch-deutsche Annäherung in den siebziger Jahren auf einem neuen Terrain, auf quasi-diplomatischem Parkett erst ermöglichte. Seine nach außen offene Haltung gegenüber der DDR war in Verhandlungen oft härter, als seine Kritiker in der Bundesrepublik glaubten. Zugleich öffnete sich Gaus mit großer Neugier und persönlichem Engagement Menschen in der DDR ... und entdeckte in der DDR für sich etwas wie ein »besseres Deutschland«.

Die Ständige Vertretung in der Hannoverschen Straße in Berlin-Mitte wurde ab 1974 zu einer politischen Relaisstation zwischen West und Ost und zum anderen administrativer Arm der Bundesregierung in Ost-Berlin. Sie bot westdeutsche Zeitungen zur Lektüre an, sie lud zu vielbesuchten Enpfängen mit Ausstellungen westdeutscher Künstler, sie pflegte Dialog und Diskussion in einer Umgebung, in der dies offiziell nicht gewünscht war. Sie nahm Verzweifelte und Hilfesuchende auf. Im Zentrum deutsch-deutschen Interesses und der westdeutschen Medienberichterstattung stand die StäV, als sie zeitweise für den Besucherverkehr geschlosssen werden musste, weil sie deutlich mehr Übersiedlungswillige provisorisch beherbergte, als sie angemessen versorgen konnte.

Aus Jacqueline Boysen »Das ›weiße Haus‹ in Ost-Berlin. Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik bei der DDR« (Ch. Links, 336 S., br., 29,90 €).

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