Dolce Vita an der Tauber

Junge »Weinrebellen« wollen neuen Geschmack in alte Weinregion bringen

  • Axel Pinck
  • Lesedauer: 5 Min.
Alle Hände voll zu tun haben die Erntehelfer im Weinberg.
Alle Hände voll zu tun haben die Erntehelfer im Weinberg.

Prüfend geht der Blick zum Himmel. Treibt die Sonne noch ein paar Öchsle in den Wein oder verdirbt der Regen die gute Stimmung? Zum »Herbsten«, der Weinlese im Taubertal, sind alle auf den Beinen. Auf den kleineren Familienweingärten die Winzer mit Freunden und Bekannten, auf größeren Weingütern meist unterstützt von einer Schar Erntehelfer aus Nah und Fern.

Im Weinberg ist Betrieb, richtig Betrieb. Zwischen den Rebzeilen rote Kopftücher, grellbunte T-Shirts, Männer in blauen Arbeitshosen mit grüner Kiepe auf dem Rücken. Heute wird der Silvaner Grundwein für den Sekt geerntet, später dann die anderen Rebsorten. Hier wird von Hand gelesen, nicht nur wegen des meist krummen Rückens eine anstrengende und schweißtreibende Angelegenheit. Bei allen Winzern ist die ganze Familie eingespannt. Auch der Jüngste läuft schon mit einer winzigen Kinderkiepe herum, er will auch dazu gehören. Mit voller Last geht es ächzend zu den großen Bottichen, die auf den Ladeflächen der Anhänger für den Abtransport zur Genossenschaft warten.

An einem gegenüber liegenden Hang ist noch ein alter Steinriegel auszumachen, einer von früher vielen mühsam zusammengetragenen Wällen aus Feldsteinen, die verschiedene Parzellen voneinander abgrenzten und gleichzeitig gegen Wind schützten. An einem anderen Hang rasiert ein Traubenvollernter gnadenlos Früchte und Blätter von den hochgebundenen Rebstöcken.

Eigentlich ist das Taubertal eine Weißweinregion. An den Süd- und Südwesthängen des rund 1000 ha großen Weinbaugebietes wachsen auf Muschelkalkböden Müller-Thurgau und Silvaner in langen Zeilen. Auch Kerner und Bacchus sind zu finden sowie in den Spitzenlagen Weißburgunder und Riesling. Doch auch die Roten sind im Kommen. Schwarzriesling gibt es, ein Abkömmling des Blauen Spätburgunders, den Spätburgunder selbst in hervorragender Qualität und den Tauberschwarz. Diese mindestens 500 Jahre alte autochthone Rebsorte, die einzige mit einem Anbaugebiet im Namen, war schon fast verschwunden. Im Tauber- und Vorbachtal wieder auf 14 ha angebaut, erlebt sie gegenwärtig eine Renaissance. Aus den Trauben entsteht bei behutsamer Ertragsbegrenzung ein leichter fruchtiger Rotwein mit angedeutetem Zartbittergeschmack.

Mittagsvesper im Weinberg. Most kommt auf den Tisch, Brot mit Hausmacherwurst und natürlich fränkischer Bloatz, selbstgebackener Kuchen. Wanderer aus Hannover schauen vorbei, auf Tagestour über die Weinberge. »Wird das ein guter Wein?«, so die unbefangene Frage. »Hört mal, Weine werden im Taubertal schon seit 1000 Jahren angebaut. Das dürften wir schon gelernt haben, oder?«, wird freundlich gekontert. Lange dauert die Pause nicht, die hohen Kiepen für die Trauben auf den Rücken geschnallt geht es wieder zur Lese in den Berg.

Seit Napoleon und der französischen Herrschaft vor rund 200 Jahren ist das beschauliche Taubertal auf Baden, Franken und Württemberg verteilt. Und auch das traditionelle Weinanbaugebiet wurde zersplittert. So dürfen Weine nicht nur aus dem bayerischen Talstück, sondern auch aus dem zu Baden-Württemberg gehörigen Tauberfranken in Bocksbeutelflaschen abgefüllt werden, alle andere Weine des Taubertals nicht. Seit einigen Jahren nun versucht eine Gruppe von Winzern aus allen drei Gebieten des Tals die künstliche Trennung zu überwinden. Sie produzieren nach einem besonderem Reinheitsgebot Weine unter dem anspruchsvollen Label »Tauber Edition«. Schließlich gibt es nach Meinung dieser »Weinrebellen« schon genügend »Trinklimonaden« mit Alkohol und Weingeschmack. Für sie gilt Qualität vor Quantität. Die chemische Keule bei der Unkrautvertilgung ist tabu, die Traubenernte per Hand Pflicht. Den Höchstertrag pro Hektar haben sie auf 50 Hektoliter reduziert. Die zehn beteiligten Winzerbetriebe steuern je einen Wein zur Edition bei, zumeist einen »gemischten Satz«. Bei dem müssen die zu einer Cuvée komponierten Trauben verschiedener Rebsorten zusätzlich noch dem gleichen Weinberg entstammen. So gehen auch Bodenbeschaffenheit und Mikroklima der Region viel intensiver in den Geschmack des Weines ein.

Auch andere Weine dieser neuen Winzergeneration halten inzwischen den Vergleich mit den besten deutschen Weinanbaugebieten stand. Flint, als Roter und als Weißer vom Weingut Hofmann in Röttingen erhältlich, ist so ein Tropfen. Der Muschelkalkboden in den südlichsten Weinbergen Frankens ist von weißen Quarzadern, Feuerstein, durchzogen, die dem frischen, nach einem ganzen Früchtekorb duftenden Wein zu seinem Namen verhalfen. Oder der Wertheimer Alte Satz, bei dem sich der für seine exzellenten Spätburgunder schon mehrfach prämierte Winzer Konrad Schlör aus Reicholzheim mit der Wertheimer Weinkellerei Spielmann für einen saftigen Weißwein mit mineralischer Frucht zusammengetan hat.

Wer hart arbeitet, darf auch ausgelassen feiern. So locken im Herbst in vielen Orten des Taubertals Weinfeste in Zelte und Scheunen. In Besen- und Heckenwirtschaften der Winzer sitzen Einheimische und Besucher in ausgebauten Garagen oder Schuppen an langen Tischen gemütlich zusammen. Das Kloster Bronnbach nicht weit von Wertheim ist nicht nur für Feiern ein besonderer Ort. Im Cellarium der früheren Zisterzienserabtei, einem Wein- und Vorratskeller der Mönche aus dem 12. Jahrhundert ist inzwischen eine Vinothek eingerichtet. Hier warten Weine der »Tauber Edition« mit anderen guten Tropfen von rund 20 Winzern aus allen drei Anbaugebieten des Tals darauf, von Genießern verkostet oder gekauft zu werden.

  • Info: Touristikgemeinschaft »Liebliches Taubertal«, Gartenstr. 1, 97941 Tauberbischofsheim, Tel. (09341) 82-5806, Fax -5700, E-Mail: touristik@liebliches-taubertal.de, www.liebliches-taubertal.de
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