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Weder sicher noch nötig

ATOMKRAFT

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Die künftige Energiepolitik, und hier insbesondere die Entscheidung der Bundesregierung, die 17 deutschen Atomkraftwerke länger am Netz zu lassen, bestimmt seit Wochen die öffentliche Diskussion. Mehrere Bücher sind kürzlich schon zum Thema erschienen. Einen Beitrag zur Debatte will auch der neue Band »Störfall Atomkraft« leisten.

Im Untertitel versprechen die Herausgeber Karl-W. Koch, Astrid Schneider und Ralph Th. Kappler, »aktuelle Argumente zum Ausstieg aus der Kernenergie« zu liefern. Zu diesem Zweck hat das Herausgeber-Trio einen recht illustren Autorenkreis gewinnen können. Er reicht vom ehemaligen »Report«-Chef und »Sonnen-Papst« Franz Alt über die Grünen-Atomexpertin Sylvia Kotting Uhl bis zu Sebastian Pflugbeil, Gründungsmitglied des Neuen Forum und Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz.

Tatsächlich greift das Handbuch die wesentlichen gängigen Argumente gegen die Atomkraft auf und verpackt sie in meist gut verdauliche Lesehappen: Atomenergie ist weder sicher noch nachhaltig, klimaneutral und schon gar nicht billig, jedenfalls nicht für die normalen Verbraucher. Die Frage der Entsorgung des Atommülls ist ungelöst. Und bereits der Uranabbau – hier dargestellt am Beispiel Afrika – vergiftet Menschen und Landschaften. So weit, so erwartet.

Einen weiteren Schwerpunkt, und das ist sein eigentliches Verdienst, setzt das Buch auf die militärische Atomkraft-Nutzung. Trennen ließen sich beide Anwendungsbereiche bekanntlich noch nie. »Durch die ›zivile‹ Nutzung (der Atomkraft, Anm. RP) ist die Gefahr der Verbreitung von Atomwaffen und atomwaffenfähigem Material unkontrollierbar geworden«, schreiben die Herausgeber. Nicht nur in Ländern wie Pakistan oder Iran, selbst in einem demokratischen Rechtsstaat sei eine Abgrenzung zwischen beiden Brennstoffkreisläufen schwierig bis unmöglich. Auch Deutschland könnte aufgrund seines kerntechnischen Know How »innerhalb weniger Monate in die Atomwaffenproduktion einsteigen«.

Dass es zumindest bei der politischen Rechten Kräfte gab und gibt, die dies auch wollen, zeigt Simon Lissner in dem Kapitel »Atommacht Deutschland« auf. Nicht nur die Nachkriegspolitiker Konrad Adenauer (CDU) und Franz-Josef Strauß (CSU) forderten unverhohlen eine atomare Bewaffnung der Bundesrepublik. Noch 2006 verlangte der konservative Unions-Vordenker Rupert Scholz, Deutschland müsse über eine nukleare Bewaffnung seiner Streitkräfte nachdenken.

Schwächen weist das Buch im hinteren Teil auf. Unter der Überschrift »Renaissance der Atomkraft – oder Offenbarungseid?« hätte man sich statt einer neuerlichen Zusammenfassung der Nachteile der Kernkraft ein paar Zahlen gewünscht, wie weit – besser: wie wenig weit – es denn nun mit dem von der Atomlobby behaupteten weltweiten Aufschwung der Atomtechnologie

wirklich her ist. Zur Anti-AKW-Bewegung gibt es gerade einmal 13 Zeilen. Das ist allerdings etwas sehr mager.

Ralph Thomas Kappler/Astrid Schneider/Karl- W. Koch: Störfall Atomkraft. Aktuelle Argumente zum Ausstieg aus der Kernenergie. VAS – Verlag für akademische Schriften. 220 S., br., 19,80 €.

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