Wenn das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis auflöst

Arbeitsrecht: Abfindungen – Teil 2

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Stellt das Gericht im Laufe des Verfahrens fest, dass die Kündigung sozialwidrig ist, kann eine Partei oder können beide Parteien nach § 9 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) den Antrag stellen, dass das Gericht das Arbeitsverhältnis auflösen möge und der Arbeitnehmer eine Abfindung erhält.

Der Auflösungsantrag muss vor Ende der mündlichen Verhandlung gestellt werden, das ist sogar noch zum Ende einer Berufungsverhandlung möglich. Der Antrag muss begründet werden. Gemäß § 9 KSchG muss der antragsstellende Arbeitnehmer nachweisen, zumindest glaubhaft machen, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist (z. B. wegen drohender Diskriminierung oder wegen realer Befürchtungen, nach Rückkehr vom Arbeitgeber oder Kollegen gemobbt zu werden). Im Antrag des Arbeitgebers ist konkret nachzuweisen, dass »eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer nicht zu erwarten ist« (§ 9 KSchG).

Das Arbeitsgericht hat dann die Möglichkeit, den Antrag wegen Unbegründetheit abzulehnen, und es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst, also fortzusetzen ist. Das Gericht kann aber auch den Auflösungsantrag als begründet anerkennen, das Arbeitsverhältnis durch Gerichtsentscheidung auflösen und zugleich die Abfindung festsetzen. Die Höhe der Abfindung liegt letztlich im Ermessen des Gerichts (§ 10 KSchG). Diese Regelung gibt den gesetzlichen Rahmen für die Höhe vor. Im allgemeinen gilt der Grundsatz, dass als Abfindung ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen ist, wobei sicher die Betriebszugehörigkeitsdauer, die Verdiensthöhe und der Kündigungsgrund eine Rolle spielen.

Das Höchstmaß kann 15 Monatsverdienste betragen, wenn der Arbeitnehmer das 50. Lebensjahr vollendet hat und das Arbeitsverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden hat. Es kann auf 18 Monatsverdienste erhöht werden, wenn der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet und das Arbeitsverhältnis mindestens 20 Jahre bestanden hat. Beachtlich ist, dass das Gesetz jeweils von Beträgen »bis zu« spricht. Innerhalb dieser Grenzen erfolgt die Festlegung der Abfindungshöhe durch das Gericht.

Kündigung nach § 1 a KSchG und Abfindungen

In den 1990er Jahren zeigte sich zunehmend die Tendenz, dass Kündigungsschutzprozesse besonders bei betriebsbedingten Kündigungen mit dem schon dargestellten Abfindungsvergleich endeten. Dem gingen aber aufwändige Schriftsätze, Erwiderungen und Beweiserhebungen voraus, für alle zeit- und kostenaufwändig.

Man stritt sich zwar wochen-, sogar monatelang, und letztlich kam es dann zum Abfindungsvergleich oder zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Arbeitsgericht. Natürlich drängte sich nach und nach bei Arbeitsrichtern und anderen Praktikern die Frage auf, inwieweit das aufwändige Prozedere nicht entschieden verkürzt werden kann, indem man sich von vornherein und außergerichtlich einigt. Der rechtlich gangbare Weg wäre der Klageverzicht des Gekündigten gegen eine Abfindungszahlung.

Der Gesetzgeber reagierte darauf und ergänzte mit dem § 1 a das KSchG. Die Regelung trat am 1. Januar 2004 in Kraft. Der § 1 a KSchG legt fest: Erhält der Beschäftigte die betriebsbedingte Kündigung und verzichtet er auf eine Kündigungsschutzklage, indem die Klagefrist verstreicht, hat er Anspruch auf Abfindung.

Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Kündigungserklärung des Arbeitgebers den Hinweis enthält, dass es sich um eine betriebsbedingte Kündigung handelt und der Arbeitnehmer bei Klageverzicht eine Abfindung beanspruchen kann.

Das Arbeitsverhältnis endet dann mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist, und zu diesem Zeitpunkt besteht der Rechtsanspruch auf die Abfindung. Über die Abfindungshöhe erübrigt sich jeglicher Streit, denn § 1 a Abs. 2 KSchG legt auch die Höhe fest: für jedes Beschäftigungsjahr 0,5 Monatsverdienste, wobei die Arbeitsdauer von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden ist.

Prof. Dr. JOACHIM MICHAS

(Teil 3 am 27. Oktober)

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