Straftatbestand Zwangsehe

Kabinett beschließt Gesetzentwurf / Mehr Kontrolle der Integrationskurse

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Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die Gesetzesvorhaben zur schärfere Bestrafung von Zwangsverheiratungen beschlossen. Sanktionen für eine Nicht-Teilnahme an Integrationskursen sollen künftig konsequenter angewendet werden.

Berlin (Agenturen/ND). Die Bundesregierung hat ein schärferes Vorgehen gegen Zwangsheiraten beschlossen. Das Kabinett billigte am Mittwoch in Berlin einen Gesetzentwurf, der zudem einen besseren Schutz für die Opfer von Zwangsehen sowie schärfere Regeln gegen Scheinehen vorsieht. Zwangsheirat wird nach dem Willen der Bundesregierung ein eigener Straftatbestand. Bisher werden Zwangsverheiratungen als besonders schwere Form der Nötigung geahndet. Am Strafmaß ändert sich nichts. Anstifter von Zwangsehen sollen wie bisher mit Haft bis zu fünf Jahren bestraft werden.

Opfer erzwungener Ehen erhalten ein wirksames Rückkehrrecht nach Deutschland. Bisher erlosch es nach sechs Monaten, künftig soll es zehn Jahre lang gelten und nicht mehr daran gebunden sein, ob die Frau nach der Trennung selbstständig für ihren Lebensunterhalt sorgen kann. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte im Deutschlandfunk, dies sei die wichtigste Neuerung. Regierungssprecher Steffen Seibert erläuterte, damit werde jungen Frauen geholfen, die in Deutschland aufwachsen und dann beispielsweise während der Sommerferien im Heimatland ihrer Eltern verheiratet werden.

Schärfer will die Regierung auch gegen Scheinehen vorgehen, die nur geschlossen werden, um ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu erhalten. Der ausländische Ehepartner soll erst nach drei statt bisher zwei Jahren einen eigenen Aufenthaltstitel bekommen. In Härtefällen sollen Ausnahmen gemacht werden, etwa bei häuslicher Gewalt. Dann gilt die Drei-Jahres-Frist nicht.

Die Grünen kritisierten, mit dieser Regelung verschlechtere die Regierung die Situation für Opfer von Zwangsehen wieder. Es sei ihnen nur selten möglich, eine Zwangsehe nachzuweisen und dadurch als Härtefall ein eigenes Aufenthaltsrecht zu bekommen, erläuterte der integrationspolitische Sprecher der Fraktion, Mehmet Kilic. Die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Sevim Dagdelen, erklärte: »Die Erhöhung der Ehebestandszeit von zwei auf drei Jahre ist ein Skandal. Diese Verschlechterung beim Schutz der Opfer von Zwangsverheiratungen wird auch dadurch nicht aufgewogen, dass die Bundesregierung hier einen eigenständigen Straftatbestand geschaffen und das Rückkehrrecht erweitert hat.«

Die Grünen hatten gemeinsam mit der SPD im Jahr 2000 die Frist für einen eigenen Aufenthaltstitel von vier auf zwei Jahre verkürzt. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Stefan Paris, erklärte, dadurch sei der Missbrauch gestiegen. Konkrete Zahlen könne er aber nicht nennen, weil man es mit einem Dunkelfeld zu tun habe.

Geringe Abbrecherquote

Weiter will die Regierung die Kontrolle der Integrationsverpflichtungen verbessern. Dazu sollen sich Kursanbieter und Behörden besser über integrationsunwillige Ausländer gegenseitig informieren. Vor der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis muss künftig geprüft werden, ob der Antragsteller seiner Pflicht zur Teilnahme an einem Integrationskurs nachgekommen ist. Bei einer Verweigerung kann die Verlängerung abgelehnt werden. Es können auch Hartz-IV-Leistungen gekürzt werden. Beides ist auch heute schon möglich. Die Sanktionen würden nicht verschärft, sondern konsequenter angewendet, erläuterte Leutheusser-Schnarrenberger.

Die Träger der Integrationskurse, neben den Volkshochschulen auch private und kirchliche Bildungsträger, wiesen in einer gemeinsamen Erklärung anlässlich des Kabinettsbeschlusses, auf die geringe Abbrecherquote hin. »Es gibt so gut wie keine Abbrecher aus mangelndem Integrationsinteresse.« Die Verbände unterstrichen die Motivation und Integrationsbereitschaft der Teilnehmer und kritisierten, dass nicht genug Geld für die Integrationskurse zur Verfügung stehe. 10 000 Menschen stünden auf den Wartelisten, bis Jahresende könne sich ihre Zahl verdoppeln. Davon seien ganze Regionen betroffen, in denen keine Kurse mehr angeboten werden könnten.

Für Asylbewerber und geduldete Ausländer sieht der Kabinettsbeschluss Lockerungen vor. Sie sollen mehr Bewegungsfreiheit erhalten, um ihnen die Aufnahme einer Arbeit, eines Studiums oder den Schulbesuch zu erleichtern.

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