Arbeitskampf gegen Ein-Euro-Gutsherren

Die Belegschaft des Baumaschienenherstellers Atlas wehrt sich gegen »diktatorische Führung«

  • Mirko Knoche
  • Lesedauer: 3 Min.
Streiken statt Baumaschinen bauen: In den Atlas-Werken wird um einen Tarifvertrag gekämpft.
Solidarität mit dem fristlos gefeuerten Betriebsrat Peter Pecht in Ganderkesee
Solidarität mit dem fristlos gefeuerten Betriebsrat Peter Pecht in Ganderkesee

Die Beschäftigten des niedersächsischen Baumaschinenherstellers Atlas streiken gegen eine Geschäftspolitik nach »Gutsherrenart«. So formulierte es IG-Metall-Vorstandsmitglied Helga Schwitzer am Montag bei einem Solidaritätsbesuch in Ganderkesee bei Oldenburg. Die örtliche IG Metall wirft dem Neueigentümer Fil Filipov eine »diktatorische Führung« und mehrfachen Rechtsbruch vor. Er hatte das Unternehmen im Frühjahr für einen Euro übernommen. Die Gewerkschaft rief ihre Mitglieder Anfang Oktober zum Streik auf, weil der Atlas-Chef mit neuen Arbeitsverträgen das tarifliche Lohnniveau zu unterlaufen versuche.

So habe er die Beschäftigten seit Monaten gedrängt, fünf Stunden unbezahlte Mehrarbeit zu leisten. Außerdem habe Filipov willkürliche Entlassungen und Versetzungen angekündigt, so die IG Metall. Alle Einigungsversuche seien gescheitert, deshalb habe die Gewerkschaft zum letzten Mittel gegriffen, dem unbefristeten Streik.

Seit dem 9. Oktober haben die Atlas-Beschäftigten in Ganderkesee die Arbeit niedergelegt. Sie wollen den Firmeneigentümer zwingen, einen Tarifvertrag zu den ortsüblichen Bedingungen zu unterzeichnen – bislang ohne Erfolg. Filipov behauptet Presseberichten zufolge, dass lediglich 49 Prozent der Belegschaft am Arbeitskampf im Bagger-Werk Ganderkesee teilnähmen. Seit Montag bestreiken die Metaller auch die Ladekran-Fabrik in Delmenhorst. Der Atlas-Chef gibt an, dass sich dort nur 41 Prozent der Beschäftigten im Ausstand befänden. Der Oldenburger IG-Metall-Bevollmächtigte Hartmut Tammen-Henke dementierte diese Zahlen. Unter zehn Prozent der Belegschaft begingen Streikbruch. Schwierig sei die Lage für die Leiharbeiter, weil sie nicht direkt bei Atlas angestellt seien. Dennoch weigerten sich viele von ihnen, den Arbeitskampf der IG Metall zu unterlaufen, so Tammen-Henke.

Die Gewerkschaft sieht noch Eskalationspotential. Komme Filipov seinen Beschäftigten nicht bald entgegen, werde man auch im Zylinder-Werk in Vechta die Produktion lahmlegen, drohte die IG Metall. Dann befände sich die gesamte 650-Mann-Belegschaft der Atlas Maschinen GmbH im Streik.

Unterstützung erhalten die Metaller aus der Politik. Die Bürgermeister aller drei Atlas-Standorte hatten sich mit Briefen an die Geschäftsleitung gewandt, um eine Lösung des Tarifstreits anzumahnen. SPD-Landeschef Olaf Lies betrat am Mittwoch das Betriebsgelände, bekam allerdings keinen Termin für eine Unterredung mit Filipov. Lies forderte schließlich einen runden Tisch, um den Konflikt beizulegen. Auch die LINKE im niedersächsischen Landtag solidarisierte sich mit dem Arbeitskampf.

Die Atlas-Geschäftsführung setzt dagegen weiter auf Konfrontation. Sie schaltete das Arbeitsgericht Oldenburg ein. Dort wollte sie eine Verfügung gegen sechs Beschäftigte wegen Hausfriedensbruch erwirken. Die Geschäftsleitung kritisierte außerdem die Weigerung der Betriebsräte, über einen Haustarifvertrag zu verhandeln. Die IG Metall konterte, dass ihnen das Betriebsverfassungsgesetz ein solches Mandat gar nicht erlaube – das dürfen nur die Gewerkschaften. Der Betriebsrat sieht überdies seine Mitbestimmungsrechte verletzt. Filipov habe mehrfach die »gültigen Gesetze ignoriert«, heißt es in einer Stellungnahme. Auch die Streikenden sehen ihre Rechte verletzt. Sie ziehen vor das Arbeitsgericht, weil die Streikposten mit Kameras überwacht werden.

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