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In der Tradition der großen Zeitungsturniere

Spannung, Tempo, Jugend: Elisabeth Pähtz gewinnt die 5. ND-Schachgala, bei der die Profis auch gegen Kinder spielen

  • René Gralla
  • Lesedauer: 6 Min.
Melanie Ohme
Melanie Ohme

Spannung und Tempo, Jugend und Glamour: Die 5. Internationale ND-Damenschachgala an diesem Wochenende in Berlin wurde zur erstklassigen Werbung für den Denksport. Mit Vorjahresgewinnerin Anna Scharewitsch (24) aus Belarus und der slowakischen Frauengroßmeisterin Regina Pokorná (28) waren zwei attraktive Topspielerinnen eingeflogen, die überall, wo sie antreten, sofort von Fotografen umlagert werden.

Ihnen stellten sich im ND-Verlagsgebäude am Franz-Mehring-Platz vor gut 200 Zuschauern Deutschlands Ranglistenerste Elisabeth Pähtz (25) sowie ihre Teamkollegin aus der Nationalmannschaft, Melanie Ohme (20). Und am Ende durften sich die Gastgeber freuen: Elisabeth Pähtz dominierte den Wettbewerb von Anfang an und gab im Finale gegen die Zweitplatzierte Regina Pokorná nur einen halben Punkt ab. Auf den Rängen folgten Anna Scharewitsch und Melanie Ohme.

Für die souveräne Siegerin war der Erfolg eine echte Genugtuung. Nachdem die ehemalige Juniorenweltmeisterin Elisabeth Pähtz während der ersten beiden Auflagen der Schachgala 2006 und 2007 ihre Verfolgerinnen souverän beherrscht hatte, verpasste die gebürtige Erfurterin den Hattrick 2008, und auch der neuerliche Anlauf 2009 misslang, mehr als die rote Laterne war nicht drin. Um so mehr strahlte Elisabeth Pähtz an diesem Abend auf der Turnierbühne: »Ich habe meine Form wiedergefunden.« Was mit zwei Monaten Verspätung auch ein nettes nachträgliches Geburtstagsgeschenk an ihren Vater war: Der ebenfalls anwesende Großmeister Thomas Pähtz hatte vor prominentem Publikum – darunter Dirk Jordan, der Ok-Chef der Schacholympiade 2008 in Dresden – in einem Nebenraum des Münzenbergsaals die Rundenkämpfe kommentiert und bei aller professionellen Moderatoren-Neutralität trotzdem heimlich seiner Tochter die Daumen gedrückt.

»Fünf Jahre Damenschachgala, das ist ein kleines Jubiläum«, sagte ND-Geschäftsführer Olaf Koppe in seiner Begrüßung. »Und dass wir diese Tradition im Frauensport begründet haben, freut mich erst recht.« Das »Neue Deutschland« darf sich dabei als Sachwalter eines stolzen Erbes fühlen, große Turniere sind in der Vergangenheit von Zeitungen organisiert worden, unvergessen das Schaulaufen von Superstars wie Capablanca und Marshall 1928 unter der Ägide des Berliner Tageblatts.

Die Grundidee von einst hat heute in der ND-Gala eine zeitgemäß konzentrierte Form gefunden. Die Matches werden im Schnellschachmodus ausgetragen, abgestuft nach Vorrunde und Finale 10 beziehungsweise 15 Minuten pro Partei und Partie, und auf den sprichwörtlichen 64 Feldern messen sich vier junge Frauen, die perfekte Botschafterinnen ihrer anspruchsvollen Disziplin sind.

Nicht zuletzt wegen beispielhafter Fairness: »Nie musste ich eingreifen«, berichtete Schiedsrichter Horst Metzing, im Hauptberuf Geschäftsführer des Deutschen Schachbundes. Und das, obwohl der einen oder anderen Kandidatin durchaus die Nerven hätten durchgehen können. Schließlich begann die Gala sofort mit einem Paukenschlag: Melanie Ohme fegte Titelverteidigerin Anna Scharewitsch vom Brett – ein Schock, der die blonde Dame aus Belarus zunächst ziemlich aus dem Rhythmus brachte.

Deutschlands Hoffnungsträgerin Melanie Ohme, die nach dem Abitur in Leipzig nun Psychologie in Mannheim studiert, hätte später das Turnier drehen können, als sie einen Stichkampf mit Regina Pokorná um den Einzug ins Finale erzwang. Ein Tiebreak in zwei Fünfminutenblitzpartien, doch hier agierte nun die Slowakin cooler und schickte Melanie Ohme in die Trostrunde.

Nicht minder aufregend die beiden Schlussrunden, zweimal kam Regina Pokorná der führenden Elisabeth Pähtz gefährlich nahe, konnte die Deutsche aber vor der Ziellinie doch nicht mehr abfangen. Beim Spiel um Platz 3 hatte Anna Scharewitsch ihrerseits Tritt gefasst, und das kriegte Melanie Ohme schmerzhaft zu spüren, in Form von zwei herben 0:1-Klatschen.

Hoch konzentriert hatte der kleine Van Anh Nguyen im Parkett das Herzschlagfinale verfolgt, gebannt verfolgte er die überdimensionalen Leuchtdiagramme, projiziert auf die Wand hinter den Spieltischen. »Ich mag Schach, weil man sorgfältig nachdenken und genau rechnen muss«, kommentierte er fachmännisch.

Der Neunjährige aus Potsdam gehörte zu einer quirligen Schar von Schachkindern aus der Region, die in der Pause zwischen Vorrunde und Finale den Galaspielerinnen eine Extraleistung abverlangten: Melanie Ohme und Anna Scharewitsch im Tandem simultan gegen den ehrgeizigen Nachwuchs. Parallel dazu bestritten Elisabeth Pähtz und Regina Pokorná insgesamt vier Blitzpartien gegen Leser, die zuvor im ND abgedruckte Mattaufgaben korrekt gelöst hatten. Die Amateure schlugen sich wacker, indes gaben die Damen keinen Pardon und verwandelten präzise.

Deutlich unübersichtlicher war dagegen das Bild beim Simultan, die Mädchen und Jungen wollten den Profifrauen richtig einheizen und scheuten keine Tricks. Lieblingstiere wurden neben den Figuren in Stellung gebracht, Plastikkrokodile und –tiger rissen drohend die Mäuler auf, und auch vor Regelwidrigkeiten wurde nicht zurückgeschreckt, gleich zweimal musste Anna Scharewitsch irritiert feststellen, dass ihr ein unschuldig blickender Trickser frech eine Figur stibitzt hatte.

Der heimliche Star dieses Abends aber wurde Eddie Liebeck aus Berlin-Kladow. Der Achtjährige baute clever seine Verteidigung auf, und dann passte er einen günstigen Zeitpunkt ab, um Melanie Ohme mit Pokerface das Remis anzubieten. Die schlug überrumpelt ein, spontaner Beifall, und hinterher kündigte Eddie lässig an, wie er sich seine zukünftige Schachkarriere vorstellt: »Deutscher Meister, das wäre nicht schlecht.«

Abgesehen davon hat der Dreikäsehoch seine erste Schülerin gefunden: Mutter Tina, ihres Zeichens Sonderpädagogin, die bei Eddie nun das Einmaleins des Königs- und Damenweges erlernt. Die Teilnehmerinnen der kommenden Damenschachgala 2011 sollten sich warm anziehen.


Elisabeth Pähtz
Ausbildung und Schach parallel – das habe ich jetzt besser im Griff, und deswegen habe ich auch wieder meine Form gesteigert. Dass wir hier zwischen Vorrunde und Finale gegen Amateure und Kinder spielen, ist eine zwar eine Belastung, aber wichtig: Die Kids sehen, welchen Spaß Schach macht.

Regina Pokorná
Momentan bin ich beruflich stark belastet als Projektmanagerin in Rumänien, es war wenig Zeit für Training. Für den Sieg hat es nicht gereicht, zumal Elisabeth eine sehr gute Spielerin ist. Beim Blitzen gegen die Amateure war ich überrascht, wie stark die sind – ich musste richtig aufpassen!

Anna Scharewitsch
Im Schnellschach kann alles passieren, im einen Jahr gewinnst du das Turnier, beim nächsten Mal brichst du ein. Beim Simultan gegen die Kinder war ich irritiert, zweimal haben die einfach eine meiner Figuren weggenommen, während ich nicht am Brett war. Sowas kannte ich bisher nicht.

Melanie Ohme
Klar, es ist ein bisschen schade, dass ich das Finale verpasst habe, aber na ja, so ist das eben. Das Simultan gegen die Kinder hat Spaß gemacht, und auch die Kinder haben das toll gefunden, das war ja unübersehbar. Das war eine super Motivation für die Kinder.

Bildstrecke: 5. ND-Damenschachgala

Klein gegen Groß: Berliner Schachkinder durften sich im Simultanschach gegen die Vorjahressiegerin Anna Scharewitsch (M.) und Melanie Ohme messen.
Klein gegen Groß: Berliner Schachkinder durften sich im Simultanschach gegen die Vorjahressiegerin Anna Scharewitsch (M.) und Melanie Ohme messen.
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