Irrwege nach Nordland

Gastschulabkommen zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein könnte scheitern

  • Rainer Kreuzer, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Für Schüler könnte an der Landesgrenze zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg bald der Schlagbaum heruntergehen. Die Ministerien in Kiel und der Hansestadt konnten sich noch immer nicht auf ein neues Gastschulabkommen einigen, obwohl die derzeitige Übergangsregelung Ende des Jahres ausläuft. Betroffen davon sind vor allem die rund 6200 Schüler aus dem Umland der Hansestadt. Die Oppositionsparteien im Kieler Landtag sehen die Schuld für die »bürokratische Kleinstaaterei« beim Kieler Bildungsminister Ekkehard Klug.

2009 hatte Hamburg die Aufnahme von Schülern aus Schleswig-Holstein gekündigt. Der Senat der Hansestadt wolte rund 30 Millionen Euro als Ausgleichszahlung von seinen Kollegen in Kiel haben, Schleswig-Holstein zahlt aber nur 8,5 Millionen Euro pro Jahr. In den beiden Bundesländern liegen die berechneten Kostensätze pro Schüler weit auseinander. Hamburg beharrte auf der Erstattung seiner eigenen Kosten – Kiel wollte an Hamburg pro Schüler nur so viel zahlen, wie im eigenen Land zu Buche schlägt. In diesem Jahr wurden noch Ausnahmen zugelassen und verhandelt. Bis Anfang 2011 sollte dann ein neuer, langfristiger Vertrag verabschiedet werden.

Doch die Verhandlungen verlaufen zäh, obwohl der Auslöser für den schulischen Grenzkonflikt bereits ausgeräumt worden ist. Ende Oktober erklärte die Hamburger Schulbehörde, dass die Schüler aus dem Nachbarland alle willkommen seien, wenn die dortige Landesregierung »diejenigen Kosten an Hamburg erstattet, die bei einem Schulbesuch in Schleswig-Holstein anfallen würden«. Das heißt, Hamburg verzichtet auf seine ursprüngliche Forderung.

Kiel will Pauschale zahlen

Doch dem Kieler Bildungsminister genügt das noch längst nicht. Minister Klug besteht nun auf einer jährlichen Gesamtpauschaule, während Hamburg jeden Gastschüler einzeln abrechnen will. »Wir hatten schon seit 1963 immer eine Pauschale«, argumentiert Patricia Zimnik, Sprecherin des schleswig-holsteinischen Bildungsministeriums. Anders sei das für ihre Behörde auch nicht kalkulierbar. Für die Opposition sind diese Rechnungen kaum noch nachvollziehbar. Die Grünen im Landtag werfen dem FDP-Bildungsminister vor: »Klug will die Mauern hochziehen.« Der Minister beharre auf einer Beschulung im eigenen Bundesland. Die LINKE kritisiert seine »ständig neuen Ausreden für sein Nichtstun«. Das Hamburger Entgegenkommen sei kein Grund, um ein neues Abkommen nochmals zu verzögern.

Die Elterninitiative »Schule ohne Grenzen« beklagt die drohende Einschränkung der freien Schulwahl. Vor allem die Schüler, die eine Waldorfschule oder ein katholisches Gymnasium besuchten, hätten es schwer, im dünn besiedelten Schleswig-Holstein fündig zu werden, sagt Sprecher Oliver Selaff aus Geesthacht. Nach Hamburg seien die Wege oft kürzer.

Im Falle seiner beiden 11- und 14-jährigen Kinder, so Selaff, drohe jetzt ein Wechsel von einer nahe gelegenen Hamburger Waldorfschule zu einer im 50 Kilometer entfernten Lübeck. »Das wäre dann eine Fahrzeit, wenn alles gut läuft, von mindestens eineinviertel Stunden«, rechnete er vor. Zahlreiche Eltern aus dem Umland hätten bereits ihre Meldeadresse nach Hamburg verlegt, um den Schulplatz dort zu sichern. »Die Landesregierung soll sich endlich zur gemeinsamen Metropolregion mit Hamburg bekennen«, fordert Selaff. Es werde viel von der Bildung eines gemeinsamen Nordstaates geredet, »aber da, wo sie es umsetzen könnten, passiert nichts.«

Kooperation oft formal

Obwohl schon seit Jahrzehnten über einen Zusammenschluss der nördlichen Bundesländer diskutiert wird, läuft auch in anderen Bereichen die Zusammenarbeit zäh. Die beiden ehemaligen Landesbanken sind zwar schon 2003 zur gemeinsamen HSH Nordbank fusioniert, doch die politische Untersuchung des Finanzdebakels findet in zwei getrennten parlamentarischen Ausschüssen statt.

Auch die Statistischen Landesämter haben sich bereits formal zusammengeschlossen. Doch die beiden getrennten Standorte bleiben weiterhin erhalten. Die Kosten für die Bürokratie würden dadurch nicht verringert, kritisiert Hamburgs SPD-Fraktionsvorsitzender Michael Neumann.

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