Let it be
Kruder+Dorfmeister
Der größte Gänsehautmoment wurde bis zum Finale aufgespart. Als letzten Song spielte das einst Stil prägende DJ- und Produzentenduo Kruder und Dorfmeister (K+D) am Donnerstag im Berliner Astra ihre verkitschte Bandhymne – gemünzt mit neuem Text auf eine Instrumentalversion von »Let it be« der Beatles. Damit brachten die Wiener, mit Hilfe eines Karaoke-Laufbandes, nicht nur die Halle zum Mitsingen. Die in feinem Zwirn angetanen Freunde des Fender Rhodes auf filigranen Wohlfühl-Rhythmen zollten damit auch der nicht enden wollenden 60er-Jahre-Welle Tribut.
Anlass des musikalisch wie dramaturgisch durchwachsenen Abends war das Jubiläum des Labels G-Stone, das die beiden als »geniale Schnösel« verschrienen Klangtüftler vor 15 Jahren gründeten – mitten in einer Ära der entpolitisierten Illusion. Kurz nach Wiedervereinigung, dem Ende der Apartheid und ernsthaften Fortschritten in Nahost, schien manchem (freilich nur mit zwei fest zugedrückten Augen) eine bessere Welt möglich, wurde gar vom »Ende der Geschichte« gefaselt. Dementsprechend nahmen Wut und Sendungsbewusstsein der westlichen Popkultur rapide ab.
Der DJ stieg (parallel zum Friseur) zum Star einer Hedonisten-Horde auf. Weltvergessene elektronische Instrumentalmusik eroberte die Charts. Gitarrenmusik wurde in Europa als anachronistischer »Rockismus« belächelt, die letzten Inhalte verabschiedeten sich aus den, zunehmend auch instrumentalen, Hits. Friede, Freude, Milchcafé. Und kein Projekt wandelte dieses Sorglosgefühl besser in seine gefälligen Sounds als Kruder und Dorfmeister. Auf die bekennenden Dauerkiffer konnten sich vom introvertierten Pop-Nerd über sämtliche Cafébesitzer bis zum Buchhalter jahrelang wirklich alle einigen – bis der 11. September 2001 den Zeitgeist gehörig umkrempelte.
Es war dies auch die Zeit der »Musik ohne Gesichter«. Die oft im Wohnzimmer produzierten Stücke wurden in den 90er Jahren in schmucklosen Plattencovern und unter teils lächerlichen Pseudonymen dargereicht. Nicht so bei den beiden Wienern. Die nannten sich nicht nur antizyklisch nach ihren Nachnamen, sondern lieferten ihren Fans auch noch ihre Gesichter zur Identifikation. Das war paradoxerweise gleichzeitig bescheiden und auftrumpfend. Bescheiden, weil das modische Versteckspiel der damaligen Szene-Helden durch den von K+D gelüfteten Vorhang durchbrochen wurde. Auftrumpfend, weil sich hier DJs und Produzenten einen Status anmaßten, der wegen eines in der elektronischen Musikszene vorherrschenden Kodex der Zurückhaltung bis dahin »echten« Künstlern vorbehalten war.
Das Konzert in Berlin zeigte zweierlei: Dass der Weltruhm der begnadeten Remixer durch ihre noch heute gültigen Klassiker wohl begründet ist. Aber auch, dass die Schöngeister der Tanzflächen ihren kreativen Zenit lange überschritten haben. Vielleicht sollten sie die Beatles beherzigen: »Let it be«.
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