Spielplatz Sicherheit: Zoll für Zoll ganz unentbehrlich

FDP prescht mit Umbaukonzept vor, Innenminister (nicht zuständig) dementiert, Finanzminister (zuständig) schweigt

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundesregierung plant (mal wieder) einen Umbau der Sicherheitsstrukturen. Die FDP prescht am größeren Koalitionspartner Union vorbei und propagiert eine Fusion von Zoll und Bundespolizei. »Pure Profilierungssucht« sei das, wettert Klaus H. Leprich. Er ist Chef der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ).

Offensichtlich regiert Witwe Bolte bei der FDP. Denn bei Wilhelm Busch heißt es: »... wofür sie besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt«. Und die ehemals so Liberalen wärmen in der angespannten Terrorzeit so manches auf. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, will den Militärischen Abschirmdienst auf Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz aufteilen. Der FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff schlägt den beim Finanzministerium angesiedelten Zoll der Bundespolizei und so der Innenbehörde zu.

Klaus H. Leprich ist darüber sauer wie Boltes Kohl. Doch offenbar mit seinem Zorn allein auf weiter Flur. Bereits am Dienstag hatte der Chef der Zoll- und Finanzgewerkschaft seinen Dienstherren gebeten, ein Machtwort zu sprechen wider all die Auflösungsgerüchte, die über den Zoll hereinbrechen. Doch Wolfgang Schäuble schweigt. Zu Wort gemeldet dagegen hat sich der Bundesinnenminister. Die Umbaupläne seien »nichts als Spekulationen«, ließ Thomas de Maizière verkünden. Doch dieser Satz kommt im Moment quasi als Endlosschleife aus dem Sicherheitsministerium.

So bleibt den Zöllnern, die gerne Zöllner bleiben wollen, im Moment nur eine Hoffnung. Sie ruht auf der sogenannten Werthebach-Kommission. Die ist laut Koalitionsvertrag und damit jenseits aller aktuellen Terrorhysterie eingesetzt, um Schnittstellen zwischen Sicherheitsbehörden, zwischen Bundespolizei, Bundeskriminalamt, den Geheimdiensten und dem Zoll zu analysieren. Anfang Dezember soll sie ihre Empfehlungen vorstellen und Gewerkschaftschef Leprich, selbst als Experte im Beirat der Werthebächer Altherren-Expertenriege, ist sich sicher, dass »der ganz große Schritt nicht in Erwägung gezogen wird«.

Warum? Weil Superbehörden gewiss »viele Vorteile, aber auch gravierende Nachteile haben«. Die Vielfalt der deutschen Sicherheitsbehörden sei erprobt. Wichtig ist nur, dass sie auch gut miteinander kommunizieren.

Woran zu zweifeln ist. Als beim Bundesinnenminister eine Art Arbeitskreis Luftfrachtsicherheit gegründet wurde, hat man vergessen, die Behörde, die am meisten damit zu tun hat, einzuladen: den Zoll. Und die 450 – nach der Panne mit der in Köln-Bonn umgeladenen Paketbombe – vorsorglich geschaffenen neuen Stellen im Bereich Luftfrachtsicherheit sind zwar im Etat des Finanzministers verankert, doch niemand zweifelt daran, dass sie der Bundespolizei zugeschlagen werden.

Die Idee einer Monster-Sicherheitsbehörde ist immer wieder geträumt worden. Sicher ist: Mit der Zusammenlegung von Behörden allein ist es nicht getan. Man muss Gesetze umschreiben und stößt dabei auch an einschränkende Regelungen der EU. Gerade wenn es um den Zoll geht.

Ein weiteres Indiz dafür, dass der »große Wurf« zumindest jetzt noch nicht gelingt, liegt in der Zusammensetzung der Werthebach-Kommission. Sie hat die Länder außen vor gelassen. Gegen deren Kompetenzen jedoch lässt sich in Deutschland kaum etwas bewegen. Als Joker bliebe Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die ist und bleibt eine Liberale, egal was in der FDP-Bundestagsfraktion zur Überwachung aufgewärmt wird.

Dass aber auch beim Zoll einiges im Argen liegt, was Terroristen wie Schmuggler nur freuen kann, ist richtig. Zur Bundeszollverwaltung gehören 37 000 Mitarbeiter. Davon bekämpfen 15 000 Kriminalität. Weit über 1000 Beamte kontrollieren dabei deren Tüchtigkeit.

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