Hamburg vor dem Neustart

Nach Schwarz-Grün will die SPD in der Hansestadt wieder an die Macht – am liebsten mit den Grünen

  • Folke Havekost, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Während bundespolitisch diskutiert wird, ob Schwarz-Grün für alle Zukunft gescheitert ist, bewegt Hamburg die Frage nach einer näheren Zukunft von Rot-Grün.

Nach dem Ende der schwarz-grünen Koalition in Hamburg erhielten am Montag die drei Senatoren der Grün-Alternativen Liste (GAL) ihre Entlassungsurkunden von CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus. Vermutlich wird am 20. Februar in der Hansestadt eine neue Bürgerschaft gewählt. Die letzte Umfrage drei Wochen vor dem Koalitionsbruch am Wochenende sah eine klare Mehrheit für einen Senat aus SPD (40 Prozent) und GAL (zwölf Prozent). Die CDU des erst im August ins Amt gewählten Ahlhaus lag bei 35 Prozent, außerdem würde die Linkspartei mit sechs Prozent der Stimmen den Einzug ins Landesparlament schaffen.

Ob eine Neuauflage von Rot-Grün möglich ist, das bereits von 1997 bis 2001 unter Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) die Stadt regierte, hängt wesentlich davon ab, ob der Schritt der Grünen als Befreiung aus einer zunehmend handlungsunfähigen Regierung oder als Flucht aus der Verantwortung gesehen wird. Die GAL-Fraktion hatte sich am Samstag auf einer Klausurtagung einstimmig für das Verlassen der Koalition entschieden. Vertreter der Strategie, der angeschlagenen CDU bis zum regulären Ende der Legislaturperiode Anfang 2012 möglichst viele Zugeständnisse abzuringen, konnten sich nicht mehr durchsetzen. Zu groß waren die Befürchtungen einer Blockadepolitik der Christdemokraten, die im Stillstand gemündet hätte.

SPD-Fraktionschef Michael Neumann will noch diese Woche mit seinem grünen Kollegen Jens Kerstan über das weitere Vorgehen sprechen. In den vergangenen Wochen hatte Neumann seine Kritik am Senat bereits wohlbedacht gesplittet: Während er Ahlhaus Führungsunfähigkeit bescheinigte, verteilte er sparsames Lob an die grünen Vertreter: Etwa als die GAL Mitte November per Ultimatum die Abberufung des HSH-Nordbank-Chefs Jens Nonnemacher durchsetzte. Schon da wurde in den Rathausfluren über das bevorstehende Ende der Koalition spekuliert. Die Linkspartei-Fraktionsvorsitzende Dora Heyenn wettete damals, Schwarz-Grün werde den Jahreswechsel nicht mehr erleben.

SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz, der zum zweiten Mal SPD-Landesvorsitzender ist und im Wahlkampf 2001 auch mit Law-and-Order-Rhetorik den Gang seiner Partei auf die Oppositionsbänke nicht verhindern konnte, erklärte, »Verlässlichkeit und Pragmatismus« sollten »wieder zu wesentlichen Säulen der Regierungspolitik« werden. Eine schnelle Elbvertiefung sei vorrangig, daneben werde der Wahlkampf um die Themen Schule, Berufsbildung und Wohnungsbau geführt, sagte der ehemalige Bundesarbeitsminister, der gute Chancen hat, im kommenden Frühjahr 13. Bürgermeister Hamburgs seit 1945 zu werden. Gestern Nachmittag beriet er sich mit der 44-köpfigen Bürgerschaftsfraktion im Kaisersaal des Rathauses. »Wir werden sehr selbstbewusst und souverän in diesen Wahlkampf gehen«, kündigte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles an. Ziel der Sozialdemokraten sei, mit einem Ergebnis oberhalb der 40-Prozent-Marke zur stärksten Partei zu werden und gemeinsam mit den Grünen die Regierungsgeschäfte zu übernehmen.

Amtsinhaber Ahlhaus und seiner CDU bleibt wenig mehr als die Hoffnung auf ein uneindeutiges Wahlergebnis ohne rot-grüne Mehrheit, das zu einer Großen Koalition führen könnte. Der »natürliche« Koalitionspartner FDP dümpelt seit Jahren herum, liegt in Umfragen aktuell bei vier Prozent. Zudem ist das bürgerliche Lager an Alster und Elbe aufgesplitterter als die Bunten Listen der 1970er, aus denen schließlich die Grünen entstanden. Auch die nur in Bayern erfolgreichen Freien Wähler buhlen um den Mittelstand. Aussichtsreicher ist da noch Walter Scheuerl mit seiner Initiative »Wir wollen lernen«, die im Juli den Volksentscheid gegen die schwarz-grüne Schulreform gewann. Zuletzt hatte Scheuerl über eine Parteigründung nachgedacht und zehn Prozent der Stimmen als Ziel ausgerufen. Durch die vorgezogenen Neuwahlen erscheint es jedoch fraglich, ob der Rechtsanwalt seine Truppen schnell genug formieren kann. Bis zum 17. Januar müssen Wahlvorschläge beim Landeswahlausschuss eingereicht werden.

Das Ende von Schwarz-Grün in Hamburg ist derweil kein vollständiges: Im Bezirk Altona arbeiten CDU und GAL bereits seit 2004 auf kommunaler Ebene zusammen. »Das Verhältnis ist ausgezeichnet, weder inhaltlich noch personell weist unsere Koalition Brüche auf«, erklärte die Altonaer GAL-Fraktionsvorsitzende Gesche Boehlich.

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