Der letzte Botschafter

Die Erinnerungen von Edgar Röder an sein diplomatischen Leben

  • Franz-Karl Hitze
  • Lesedauer: 3 Min.

Weihnachten 2009: Am Sandstrand von Corralejo, auf der spanischen Insel Fuerteventura, entschließt sich Edgar Röder, Jg. 1936, seine Lebenserinnerungen aufzuschreiben.

Er begann im 12. Lebensjahr, als Dorfschüler in Saubach (Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt), privat Englisch zu lernen. Seine Mathematiklehrerin hatte ihm kostenlosen Unterricht angeboten, doch Edgars Vater bestand auf ein Entgelt; er »bezahlte« die Privatstunden seines Sohnes vierteljährlich mit einem selbstgezogenen Kaninchen. Diese Investition sollte sich lohnen.

Im September 1960 begann Edgar Röder sein Studium am Institut für Internationale Beziehungen, Fachrichtung Außenpolitik, in Potsdam-Babelsberg. Vier Jahre darauf nahm er seine Tätigkeit im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR (MfAA) auf. Er wurde Länderreferent in der 4. Außereuropäischen Abteilung und befasste sich anfangs mit Tangan-jika und Sansibar. Im Frühjahr 1968 wurde er als Stellvertreter des Leiters an die Wirtschafts- und Handelsmission der DDR nach Mali entsandt. Eine Schicksalsentscheidung, wie er schreibt. Afrika blieb er über 25 Jahre verbunden. Nach leitenden Tätigkeiten in der Afrikaabteilung des MfAA folgten seine Berufungen als Botschafter in Algerien (1979-1983) und noch im Mai 1990 nach Tunesien. Er war der letzte Botschafter, der in der DDR ernannt und ins Ausland entsandt wurde. Angesichts des unmittelbar bevorstehenden Untergangs seines Staates verzichtete er auf eine Akkreditierung beim Staatsoberhaupt in Tunis. Im Vorwort bezeichnet Otto Pfeiffer, Präsident des Verbandes für Internationale Politik und Völkerrecht e.V., diesen Vorgang als ein Kuriosum in der Geschichte der Diplomatie.

Röder beschreibt eingehend die Politik der DDR in Afrika. Dabei stützt er sich auf eigene Erfahrungen und vor allem auf das »Wie« in der praktischen Diplomatie. Neben vielen Beispielen seiner Arbeit in Mali und in Algerien geben dazu Anekdoten aus dem diplomatischen Alltag Auskunft.

Das Buch belegt die fachlichen Qualitäten der DDR-Diplomaten, die es ihnen ermöglichten, nach ihrer Abwicklung auch noch in der Marktwirtschaft eine Tätigkeit zu finden. Ihr Wissen war in großen Konzernen begehrt. Röder hat 1991 an einem Wirtschaftstraining für Akademiker teilgenommen und einem Kurs in Unternehmensführung absolviert. Er wurde Bereichsleiter bei einem deutschen Tochterunternehmen des italienischen Olivetti Konzerns, Gebietsgeschäftsleiter bei dem englischen Unternehmen »Thomas Cook« und schließlich Manager und Generalbevollmächtigter in der Geschäftsleitung von American Express in Frankfurt am Main (1997-2003). Es ist bedauerlich, dass diese Möglichkeiten deutsche Unternehmen nach der Vereinigung nicht nutzten, das Potenzial ehemaliger Botschafter der DDR nicht wahrgenommen haben oder nicht wahrnehmen durften.

Edgar Röder: »Herr Botschafter, Sie haben noch einen Tag ...« Erinnerungen und Gedanken eines DDR-Diplomaten. Schriften zur internationalen Politik. Hg. v. Verband für Internationale Politik und Völkerrecht e.V., Heft 30, »Blaue Reihe«. Zu beziehen für 5 € per E-Mail: VorstandVIP@aol.com

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