Strahlenopfer fordern Umsiedlung

Moskauer Gericht weist Behandlung der Klage an

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23 Opfer der am Ural gelegenen Plutoniumfabrik Majak dürfen gegen die Atomenergiebehörde Ros-atom und die russische Regierung klagen. Am Dienstag wies das Moskauer Stadtgericht ein Gericht unterer Instanz an, die von der russischen Umweltschutzgruppe Ecodefense initiierte Klage von Strahlenopfern aus dem Gebiet Tscheljabinsk zu behandeln. Das Gericht hatte sich zunächst geweigert, die Klage anzunehmen.

Die Kläger fordern von Rosatom und der Regierung, die Menschen in der Umgebung der Plutoniumfabrik zu schützen. Aus den verstrahlten Gebieten müssten alle umgesiedelt werden. Eine Mauer am Fluss Tetscha solle den Zugang verhindern. Allein zwischen 1949 und 1956, erklärt Umweltschützer Vladimir Slivjak von Ecodefense, seien ungefähr 76 Millionen Kubikmeter radioaktiver Abwässer von der Plutoniumfabrik in den Fluss verklappt worden. Und 2004 hatte die russische Generalstaatsanwaltschaft gegen die Fabrik wegen der Verklappung mehrerer Millionen Kubikmeter flüssigen strahlenden Mülls ermittelt.

Der erste große Unfall hatte sich am 29. September 1957 ereignet. Damals war ein Tank mit flüssigem Atommüll in der Wiederaufbereitungsanlage explodiert. Radionukleide mit einer Aktivität von 20 Millionen Curie gelangten in die Atmosphäre. Betroffen waren 270 000 Einwohner in 217 Ortschaften. Viele Dörfer wurden später umgesiedelt, nicht jedoch Mus-ljumowo. »Seit Jahren verspricht Rosatom die Umsiedlung. Doch viele Familien leben immer noch dort, darunter die 23 Kläger«, so die Rechtsanwältin Nadeschda Kutepowa, die in der Nähe der Plutoniumfabrik in der geschlossenen Stadt Osersk lebt.

Die Umweltschützer hoffen, dass die Strahlenopfer vor Gericht endlich Recht bekommen und umgesiedelt werden. Gleichzeitig wollen sie durchsetzen, dass der verstrahlte Fluss Tetscha hermetisch abgeriegelt wird. Man setzt aber nicht nur auf die russischen Gerichte. Auch beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg ist eine Klage anhängig, berichtet Anwältin Kutepowa.

Die russische Regierung müsste nach Ansicht von Slivjak dem Werk sofort die Lizenz entziehen. Das russische Wasserschutzgesetz verbiete die Verklappung radioaktiver Abwässer. Im Jahr 2003 hatte die Aufsichtsbehörde Gosatomnadsor der Anlage deshalb vorübergehend die Lizenz entzogen. Diese war dann neu erteilt worden mit der Auflage, die Einleitung der Abwässer in die Umgebung zu beenden – bis 2010. Bernhard Clasen

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