Vorläufig kein »Elfstedentocht«

Größtes Sportvolksfest der Niederlande fällt dem Klimawandel zum Opfer

  • Ralf Höller
  • Lesedauer: 3 Min.
Das größte Sportvolksfest der Niederlande, der 200 Kilometer lange Eislauf »Elfstedentocht« (Elf-Städte-Tour), wird voraussichtlich auch dieses Jahr ins Wasser fallen – ein Indiz für den Klimawandel, sagen Wissenschaftler.
Elfstädtelauf 1947
Elfstädtelauf 1947

In den Niederlanden dreht sich derzeit vieles um die Frage, ob denn endlich wieder einmal das nationale Eislaufgroßereignis »Elfstedentocht« stattfinden kann. Um die Antwort vorwegzunehmen: Trotz des rauen Winterwetters werden die Liebhaber des Schlittschuhlaufs ihre Schaatsen in diesem Jahr kaum anschnallen dürfen.

Das 200-Kilometer-Rennen durch elf Städte auf den zugefrorenen Kanälen der Nordprovinz Friesland findet im Hundertjahrvergleich immer seltener statt. So hat es das niederländische »Planbureau voor de Leefomgeving« (PBL), vergleichbar mit dem deutschen Umweltbundesamt, herausgefunden. Nach einer bereits im Oktober 2008 veröffentlichten Studie konnte man 1950 noch davon ausgehen, dass alle vier Jahre ein Elfstädtelauf ausgetragen wird. Mittlerweile ist die wahrscheinliche Häufigkeit auf alle 18 Jahre gesunken.

Schuld an dieser Entwicklung, daran lässt die Untersuchung keinen Zweifel, ist der Klimawandel. Für den Wettbewerb bedarf es einer 15 Zentimeter dicken Eisschicht auf sämtlichen friesischen Kanälen. Voraussetzung dafür ist eine längere Periode mit strengem Frost. Wie viel Schnee fällt, ist dagegen nicht relevant – größere Mengen sind sogar eher kontraproduktiv. Zum einen ist es bei Schneewetter relativ warm, es gefriert weniger Wasser als bei starkem Frost. Hinzu kommt die kristalline Struktur des Schnees: Bleibt er auf der Eisfläche liegen und scheint die Sonne darauf, wird deren Effekt verstärkt – und das Eis beginnt an der Oberfläche zu schmelzen.

In den Niederlanden waren die Jahre 2006 und 2007 die wärmsten seit Beginn der Messungen anno 1706. Auch das Jahr 2010 hätte in diese Bereiche vorstoßen können – wären die ersten drei Monate nicht gewesen. Da gab es, gemessen an der Durchschnittstemperatur, den strengsten Winter seit 1996. Im gesamten 20. Jahrhundert gab es nicht weniger als 15 Winter, die kälter waren als die entsprechenden Monate 2010.

Anschaulich unterstützt wird die These von der Erderwärmung, zumindest für die Niederlande, durch die Statistik des »Elfstedentocht«. Erstmals wurde die Tour 1909 ausgetragen; bis einschließlich 1963 gab es insgesamt zwölf Rennen. Danach nur noch drei: 1985 und 1986 sowie zum bislang letzten Mal 1997. Im sehr kalten Winter 1996 scheiterte das Rennen nicht am Wetter, sondern an organisatorischen Hindernissen. Die aktuelle, seit 13 Jahren andauernde Durststrecke ist die zweitlängste in der Geschichte der zuschauerträchtigsten Sportveranstaltung in den Niederlanden. Gut möglich, dass sie noch eine Weile andauern wird. Zurzeit vermelden die Gazetten unseres Nachbarlandes: »Voorlopig geen Elfstedentocht«.

Zum Nachlesen: Die PBL-Studie (in englischer Sprache) gibt es im Internet unter:

www.pbl.nl/en/publications/2008

Lexikon

Kleine Eiszeit

Als Kleine Eiszeit wird eine Periode kühlen Klimas bezeichnet, die zumindest auf der Nordhalbkugel von der Mitte des 14. bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts andauerte. Belege für diese Abkühlung liefern zeitgenössische Berichte, Baumringe und Eisbohrkerne. Bekannt sind die Bilder flämischer Maler mit Schlittschuhläufern vom Höhepunkt der Kleinen Eiszeit im 16. und 17. Jahrhundert. Obwohl die meist verantwortlich gemachten Faktoren nach 1850 weiter wirkten, wird es seither wärmer. Das gilt als Beleg für Auswirkung der Industrialisierung.

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