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Herkules überm Revier

Am Turm der Gelsenkirchener Zeche Nordstern soll das Kulturhauptstadtjahr abgeschlossen werden

  • Christina Horsten, Rolf Schraa, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Hoch über dem Ruhrgebiet wacht seit Mittwoch der »Herkules von Gelsenkirchen«. Künstler Markus Lüpertz sieht sein 18 Meter hohes Kunstwerk als »gute Symbolfigur«. Am liebsten würde er dort einziehen. Am Fuß des Herkules ist am Samstag die Schlussveranstaltung des Kulturhauptstadtjahres geplant.

Gelsenkirchen. Immer kleiner wird der »Herkules von Gelsenkirchen« und verschwindet schließlich fast ganz zwischen Nebelschwaden und Schneegestöber. Ein 130 Meter hoher Kran zieht das rund 23 Tonnen schwere und 18 Meter hohe Monumentalkunstwerk am Mittwoch auf den Turm der ehemaligen Zeche Nordstern. »Wenn das so weitergeht, sieht man ihn gar nicht mehr«, sagt Künstler Markus Lüpertz und blickt mit gerunzelter Stirn in den tief hängenden Himmel über Gelsenkirchen. »Aber es gibt ihm auch etwas Geheimnisvolles, das gefällt mir.«

»Kurzzeitig zufrieden«

Wenig später lichten sich die Nebelschwaden und die Ausmaße des neuen Lüpertz' werden sichtbar: Ein grauer Aluminium-Koloss mit blauen Haaren und Bart, tiefrotem Mund, brauner Keule und einer kleinen grünen Schildkröte neben dem linken Bein – den Blick stur in Richtung Gelsenkirchen-Schalke gerichtet. Turm, Sockel und Statue sind zusammen mehr als 100 Meter hoch. Es ist die größte Skulptur, die Lüpertz je entworfen hat, und eine der größten öffentlichen Monumentalskulpturen Deutschlands. »Die Arbeit ist gemacht, ich bin fertig, alles hat funktioniert, das ist beglückend«, sagt der 69-jährige ehemalige Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie. »Ich bin kurzzeitig zufrieden.«

Neue alte Helden

Im dicken beigen Wintermantel mit lila Innenfutter, die Hände auf einen schwarzen Gehstock mit silbernem Totenkopf-Knauf gestützt, beobachtet er das für ihn »sensationelle Ereignis«. Auch viele Schaulustige sind zu dem Termin gekommen. Das Monumentalkunstwerk ist Teil des Kulturhauptstadt-Ruhr.2010-Programms und soll heute offiziell präsentiert werden.

Er sei ein »zugereistes Kind des Ruhrgebiets«, sagt Lüpertz, auch wenn er in der Tschechischen Republik geboren und am Niederrhein aufgewachsen ist. Im Ruhrgebiet habe er Fußball gespielt und in einer Zeche gearbeitet. »Herkules ist eine Figur, die Aufgaben bewältigt und Probleme löst. Für ein junges, aufstrebendes Ruhrgebiet ist er also die entsprechende Figur.« Ob er auch ein neues Wahrzeichen des Ruhrgebiets werden könne, das müssten aber die Menschen entscheiden. »Für mich wäre es ein Kompliment.« Auch andere Götterskulpturen wie Merkur und Apoll hat Lüpertz schon entworfen. »Wir brauchen Helden. Es gibt fast keine bessere Zeit für Helden als die unsere. Das haben wir dringend nötig.« Die Skulpturen wurden jedoch auch immer wieder scharf kritisiert – einige sogar umgestoßen oder beschmiert. »Der Herkules wird eine Herausforderung für Graffiti-Sprayer sein«, befürchtet Lüpertz. »Ich habe schon überlegt, ob ich nicht kleine Fenster bauen und einziehen kann.«

Schwung in die Zukunft

Am Fuß des zwei Millionen Euro teuren Herkules ist am Samstag die Schlussveranstaltung des Kulturhauptstadtjahres geplant. Wie bei der Eröffnung im Schneetreiben vor einem Jahr verabschiedet sich die Ruhr.2010 mit einem Festakt bei Minus-Temperaturen unter freiem Himmel. Für die im Fernsehen übertragene 65-minütige Liveshow mit Musik und Videoschaltungen nach Essen, Dortmund und Duisburg sagen die Meteorologen leichten Schneefall voraus.

Der Schwung des Festjahres scheint auch in die Zukunft zu tragen: Anfang dieser Woche beschlossen die sonst eher zerstrittenen Ruhr-Kommunen, trotz leerer Kassen ihren Anteil am Kulturhauptstadtjahr-Etat (2,4 Millionen Euro) auch weiter für Kulturprojekte bereitzustellen.

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