Tschechiens neuer Riege bleiben die Affären treu

Rücktritt des Umweltministers / Misstrauensantrag gegen Regierung

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.
Tschechiens Regierung muss sich am kommenden Dienstag einem Misstrauensantrag der sozialdemokratischen Opposition stellen. Anlass sind allerdings nicht die Proteste gegen das unsoziale Sparpaket der Regierung unter Petr Necas, sondern Korruptionsvorwürfe. Dabei hatte Necas die Bekämpfung der Korruption zur Hauptaufgabe seiner Regierung erklärt. Alles erinnert an die Korruptionsgeschichten der Regierung unter Mirek Topolanek (2006-09).
Premier Petr Necas
Premier Petr Necas

Für die Öffentlichkeit kam es überraschend, doch Premier Petr Necas von der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) war bereits zu Wochenbeginn vorgewarnt worden: Umweltminister Pavel Drobil (ebenfalls ODS) hatte ihm seinen Rücktritt angeboten. Am Mittwoch gab Necas bekannt, dass er das Angebot angenommen habe. Zum wiederholten Male erschüttert eine Korruptionsaffäre die Regierungspartei.

Drobil selbst wirft sich lediglich vor, die »falschen Leute« ausgewählt zu haben. In der Affäre geht es um seinen langjährigen Berater Martin Knetig. Der habe einen weiteren Mitarbeiter des Ministeriums, Libor Michalek, unter Druck gesetzt, Gelder aus EU-Mitteln, die dem Staatlichen Umweltfonds zur Verfügung gestellt wurden, an bestimmte Unternehmen auszuzahlen. Im Raum steht der Verdacht der illegalen Parteifinanzierung mittels manipulierter Staatsaufträge. Besagtem Michalek jedenfalls war diese Art des Umgangs mit Fondsmitteln suspekt. Er zeichnete die Gespräche mit Knetig auf und erstattete eine entsprechende Anzeige. Minister Drobil wird vorgeworfen, er habe den Mitarbeiter unter Druck gesetzt, die Bänder zu vernichten.

In einer ersten Reaktion hatte Drobil seinen Berater Knetig entlassen und Michalek vorläufig suspendiert. Dabei genoss er Rückendeckung von Premier Necas, dessen Parteivize Drobil zugleich ist. Zunächst äußerte der Minister auch nicht die Absicht, von seinem Amt zurückzutreten, unter dem Druck der Enthüllungen musste er aber schließlich doch weichen.

Die Abgeordneten des ODS-Koalitionspartners Öffentliche Angelegenheiten (VV) forderten prompt die sofortige Rückkehr des Ministerpräsidenten vom EU-Gipfel in Brüssel, um die »Affäre Drobil« zu klären. VV, die Partei des beliebten Fernsehjournalisten Radek John, heute Innenminister, war bei der Parlamentswahl im Mai zu überraschendem Erfolg gekommen, weil sie mit einem Programm gegen die Korruption angetreten war. »Die Situation ist äußerst dringlich«, erklärte die stellvertretende VV-Chefin Karolina Peake. Ihre Fraktion habe für kommenden Dienstag eine außerordentliche Parlamentssitzung beantragt, um den »Korruptionsfall Drobil« zu klären.

Bestechungsaffären begleiten die Partei ODS bereits seit Jahren. Der Prager Parteiverband, der bis vor kurzem mit Pavel Bem den hauptstädtischen Bürgermeister stellte, musste nicht zuletzt wegen solcher Affären bei den jüngsten Regionalwahlen im Oktober eine Niederlage hinnehmen.

Aber auch die Zentralregierung des früheren Ministerpräsidenten Mirek Topolanek – auch er gehörte der ODS an – war von Korruptionsaffären erschüttert. Im Gedächtnis der Tschechen ist noch die Affäre Tlusty, in der mit süffisanten – allerdings fingierten – Fotografien eine Erpressung vorgetäuscht werden sollte. Letztlich hatten die Auseinandersetzungen zwischen der ODS-Spitze und den so genannten Rebellen um Jan Tlusty dazu beigetragen, dass die Regierung Topolanek 2009 ihren Abschied nehmen musste und der Chef selbst vom Parteivorsitz abgewählt wurde.

Aufgrund dieser Vergangenheit kam die Forderung der VV nicht von ungefähr. Necas ließ jedoch mitteilen, er wolle erst Freitagnachmittag aus Brüssel heimkehren. Wie ein Regierungssprecher erklärte, sollten in der Zwischenzeit die Spitzen der Koalition aus ODS, VV und der Partei TOP 09 (Tradition, Verantwortung, Wohlstand) von Außenminister Karel Schwarzenberg zusammentreten, um die Lage zu beraten.

Die oppositionellen Sozialdemokraten (CSSD) fordern dringend Aufklärung. »Uns reicht der Rücktritt des Ministers nicht, wir wollen vor allem vom Premier wissen, warum er nicht bereits vorher gehandelt hat. Er muss seit Mitte Oktober von den Personalproblemen in seinem Umweltministerium gewusst haben«, erklärte CSSD-Chef Bohuslav Sobotka. Der ehemalige Chef des Staatlichen Umweltfonds war im Oktober zweimal zur Rechenschaft vor das Amt geladen worden, das sich mit der Überwachung von Regierungsaktivitäten beschäftigt. Sobotka warf dem Regierungschef vor, keine Antikorruptionsmechanismen installiert zu haben.

Am Donnerstag reichten die Sozialdemokraten ihren Misstrauensantrag beim Parlamentspräsidium ein. Zusammen mit den Kommunisten verfügen sie im 200 Sitze umfassenden Abgeordnetenhaus über 82 Stimmen. Beide Fraktionen forderten die VV mit ihren 24 Abgeordneten auf, im Parlament gemeinsam Druck auf die Regierung auszuüben, um der Korruption ein Ende zu bereiten.

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