Blutiger Angriff auf afghanische Armee im Bundeswehr-Gebiet

Aufständische stürmen Rekrutierungsbüro / Gysi erneuert Forderung nach Bundeswehr-Abzug

  • Lesedauer: 3 Min.
Kundus, 19. Dezember (AFP/dpa/ND) - Einen Tag nach dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundeswehr-Gebiet in Nordafghanistan haben Rebellen dort einen blutigen Anschlag auf ein Rekrutierungsbüro der afghanischen Armee verübt. Bei den Gefechten in Kundus, die am Sonntagnachmittag noch andauerten, wurden nach Behördenangaben mindestens acht afghanische Sicherheitskräfte getötet. Deutsche Soldaten beteiligten sich an der Absicherung des Geländes.

Insgesamt stürmten vier Angreifer mit Gewehren und Sprengstoffwesten bewaffnet das Rekrutierungsbüro, wie Vize-Gouverneur Hamidullah Danischi mitteilte. Bei dem Feuergefecht seien vier Polizisten und vier Soldaten ums Leben gekommen. Auch zwei der Angreifer seien getötet worden, die anderen beiden hätten sich in dem Gebäude verschanzt. Von dort leisteten sie weiter Widerstand, sagte Danischi. Zu der Attacke bekannten sich die radikalislamischen Taliban.

Ein AFP-Reporter berichtete, dass hunderte afghanische Sicherheitskräfte sowie deutsche und US-Soldaten das Gebiet abriegelten. Militärhubschrauber überflogen die Stadt. Das Einsatzführungskommando in Potsdam bestätigte, dass die Bundeswehr an der Absicherung des Geländes mitwirke. An den Kämpfen mit den Rebellen seien deutsche Soldaten aber nicht beteiligt gewesen.

Auch in der Hauptstadt griffen Aufständische am Sonntag die afghanischen Sicherheitskräfte an. Zwei Selbstmordattentäter beschossen einen mit afghanischen Rekruten besetzten Bus, wie das Verteidigungsministerium mitteilte. Einer der beiden Angreifer sei erschossen worden, der zweite habe seinen Sprengstoffgürtel gezündet und fünf Soldaten mit in den Tod gerissen.

Der Vorfall ereignete sich den Angaben zufolge an einer Straße, die von Kabul über die östlichen Provinzen an die pakistanische Grenze führt. Entlang der Strecke, an der es immer wieder zu Anschlägen kommt, liegen mehrere von ausländischen Truppen unterhaltene Ausbildungszentren für afghanische Soldaten. Zu diesem Angriff bekannten sich ebenfalls die Taliban.

Bereits am Samstag redete Merkel von »Krieg« im Kundus

Merkel (CDU) hatte bei ihrem Truppenbesuch im Bundeswehr-Feldlager in Masar-i-Scharif am Samstag gesagt: »Wenn man sich mit der Realität unserer Soldaten befasst, ist das eben in der Region Kundus so, dass sie in wirklichen Gefechten stehen - so wie Soldaten das in einem Krieg tun.« Man solle das beim Namen nennen. »So etwas kannten wir seit dem Zweiten Weltkrieg nicht. Wir haben uns das von unseren Eltern und Großeltern erzählen lassen«, sagte sie. Überschattet wurde ihr Besuch vom Tod eines deutschen Soldaten, der bei einem Unglück ums Leben kam.

Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Bundestag, nahm die Äußerungen der Kanzlerin zum Anlass, die Forderung seiner Partei nach Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu erneuern. Der sofortige Abzug sei die einzig mögliche Konsequenz aus der Erklärung der Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Soldaten seien dort in Kämpfe verwickelt, die man als Krieg bezeichnen müsse, sagte Gysi der »Berliner Zeitung« (Montagausgabe). Die große Mehrheit der Bundesbürger habe dies schon lange gewusst und für diese Erkenntnis nicht so lange benötigt wie die Kanzlerin, sagte Gysi weiter.
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