»Islam ist nicht die Religion der Explosionen«

Muslimische Repräsentanten verurteilen Anschlag in Alexandria / Proteste der ägyptischen Kopten

  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem schweren Terroranschlag auf eine Kirche entlädt sich die Empörung der Christen in Ägypten in teilweise gewalttätigen Protesten.

Kairo/Berlin (Agenturen/ND). Am Sonntagabend wurden bei einer Demonstration in der Kairoer Innenstadt 39 Angehörige der Sicherheitskräfte und zwei Passanten verletzt. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen bewarfen Demonstranten die Polizisten mit Steinen und Flaschen. Zuvor hatte es bereits in Alexandria und in einem vorwiegend von Christen bewohnten Dorf in der oberägyptischen Provinz Assiut Proteste gegeben, bei denen die Demonstranten auch Slogans gegen Präsident Husni Mubarak riefen. Am Montag entspannte sich die Lage.

Unterdessen wurden weitere Ermittlungsergebnisse bekannt. Augenzeugen erklärten, sie hätten den mutmaßlichen Selbstmordattentäter gesehen, kurz bevor dieser in der Silvesternacht vor einer Kirche in der Hafenstadt Alexandria 21 Menschen mit in den Tod riss. Es handele es sich um einen etwa 40 Jahre alten hellhäutigen Mann mit Brille. Er habe keinen Bart getragen und habe gegenüber der Kirche zusammen mit zwei anderen Männern in einem Auto gesessen. Aus dem Innenministerium hieß es, der bislang noch nicht identifizierte Attentäter habe zunächst versucht, in die Kirche zu gelangen. Nachdem er die vor dem Gotteshaus postierten Polizisten sah, zündete er seine Bombe jedoch vor der Kirche.

Die Bluttat, die von fanatischen Islamisten geplant worden sein soll, hatte international für Empörung gesorgt. Sie war auch von der Arabischen Liga und von islamischen Geistlichen in Ägypten verurteilt worden. Der ranghöchste islamische Religionsgelehrte von Saudi-Arabien bezeichnete die Tat als ein Verbrechen, das nichts mit dem Islam zu tun habe. Die saudische Zeitung »Okaz« zitierte den Mufti, Scheich Abdulasis bin Abdullah al-Scheich, am Montag mit den Worten: »Der Islam ist nicht die Religion der Explosionen, und er erlaubt es auch nicht, die Gebetsräume von Nicht-Muslimen anzugreifen.«

Beobachter rätseln derweil immer noch darüber, ob eine direkte Verbindung zwischen dem Anschlag von Alexandria und dem Blutbad in einer Kirche im Bagdad vom 31. Oktober 2010 existiert. Dafür gibt es zwar bislang einige Hinweise, aber keine schlüssigen Beweise. Die Terroristen von Bagdad, die dem irakischen Ableger des Terrornetzwerks Al Qaida zugerechnet werden, hatten damals erklärt, sie wollten »muslimische Schwestern« rächen, die von der koptischen Kirche in Ägypten »gefangen gehalten« würden.

»Mit Abscheu und Entsetzen« habe sie die Nachricht vernommen, schrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag in einem Beileidstelegramm an den ägyptischen Staatschef Mubarak. Die Bundesregierung verurteile aufs Schärfste den »barbarischen Terrorakt«, bei dem Christen, aber auch Muslime ihr Leben verloren hätten. Die Bundesregierung sei überzeugt, dass Mubarak alles in seiner Macht Stehende tun werde, um derartige Vorfälle in Zukunft zu verhindern, hieß es in dem Telegramm weiter. Die ägyptische Regierung hatte »ausländische Kräfte« verantwortlich gemacht. Unter den rund 80 Millionen Ägyptern leben etwa zehn Prozent Christen.

Die koptischen Christen in Ägypten befürchten weitere Anschläge. »Wir haben Angst. In unserer Heimat schlägt uns von fundamentalistischen Muslimen oft der blanke Hass entgegen«, sagte die leitende Redakteurin der Kairoer Wochenzeitung »Watani International«, Samia Sidhom. Sie forderte besseren Schutz und ein Ende der Diskriminierung der Christen.

Der Vorsitzende des Islamrates in Deutschland, Ali Kizilkaya, verurteilte den Anschlag scharf. Unschuldige Menschen seien Opfer geworden und das auch noch in einem Gotteshaus. Deutsche Politiker forderten angesichts des Attentates, den Druck auf die ägyptische Regierung zu erhöhen. »Ägypten und andere Staaten müssen dem Ungeist religiöser Intoleranz wirksam entgegentreten«, erklärte Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), sprach sich gegen Sanktionen aus. Druck müsse auf dem Weg des Dialogs und über Entwicklungszusammenarbeit ausgeübt werden. Es gehe jetzt darum, der Entschlossenheit bei diesem Thema noch mehr Nachdruck zu verleihen und Kräfte zu unterstützen, die sich für die Rechte von christlichen und anderen Minderheiten einsetzen, sagte Vizeregierungssprecher Christoph Steegmans.

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