Rabenschwarzes Jahr für Mieter?

Franz-Georg Rips über Wohnkosten und fehlende schwarz-gelbe Antworten / Der 61-jährige Jurist ist Präsident des Deutschen Mieterbundes, dem Dachverband von 332 örtlichen Mietervereinen

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Fragwürdig: Rabenschwarzes Jahr für Mieter?

ND: Schon vor Jahresende hatte der Mieterbund vor einem rabenschwarzen 2011 für die Mieter gewarnt. Jetzt kommen Experten und sprechen von immensen Nachzahlungen für die 2010-er Heizkosten. Wird also alles noch viel schlimmer als erwartet?
Rips: Nein, die Nachzahlungen bei den Heizkosten haben wir erwartet. Zum einen waren die Wintermonate 2010, insbesondere der Januar und Dezember, spürbar kälter als in Vorjahren – vor allem aber sind die Energiepreise weiter gestiegen. Heizöl wurde 2010 um etwa 25 Prozent teurer, bei Gas stiegen die Preise um 3, bei Fernwärme um 1,5 Prozent, wobei Fernwärme dennoch am teuersten ist.

Eine Preisspirale ohne Ende?
Wir fürchten, dass – zumindest was Heizkosten angeht – kein Ende in Sicht ist. Wenn man sich die Preissteigerungen der letzten zehn Jahre bei Öl, Gas und Fernwärme anschaut, haben wir durchschnittliche Preiserhöhungen von 50, 60, 70 Prozent. Blauäugig wäre es zu glauben, Energiepreise gingen wieder in den Keller. Deshalb sind energetische Gebäudesanierungen auch so wichtig. Allerdings muss der, der die für wichtig erachtet, auch sagen – und das blieb die Bundesregierung bisher schuldig –, wie sie bezahlt werden sollen.

Der Streit um die energetische Gebäudesanierung ist ja schon lange anhängig. Der Mieterbund hatte vorgeschlagen, die Kosten zwischen Mieter, Vermieter und Bund aufzuteilen. Glauben Sie wirklich, damit Gehör zu finden?
Wir glauben zumindest, dass unser Vorschlag aufmerksam verfolgt wird. Wir haben Signale aus dem Bauministerium, auch von politischen Parteien, dass unser Vorschlag durchaus ernst genommen und intern diskutiert wird. Denn letztendlich sagen wir nur das, was einleuchtend für alle Welt sein müsste. Es ist unrealistisch zu glauben, dass eine energetische Gebäudesanierung, die das Energiekonzept der Bundesregierung umsetzt, allein über Mieterhöhungen vom Mieter finanziert werden kann. Das würde zu einer wahren Explosion der Mietkosten führen. Es macht es auch überhaupt keinen Sinn, den Vermieter aus der Verantwortung zu entlassen – wer energetisch saniert, schafft einen Mehrwert bei seiner Immobilie. Und natürlich muss sich der Bund an den Kosten beteiligen, weil es um Klimaschutzziele geht.

Ein Aufruf an die aufgeklärten Fürsten. Die Bundesregierung hat gerade die Mittel für energetische Gebäudesanierung gekürzt.
Das haben wir auch heftigst kritisiert. Für 2011 stehen rund 936 Millionen Euro zur Verfügung. Ob dieser drastisch reduzierte Betrag – 2010 hatten wir 1,4 Milliarden, 2009 waren es noch 2,2 Milliarden – überhaupt 2012 zustande kommt, steht in den Sternen. Hier muss Schwarz-Gelb eine heftige Rolle rückwärts machen. Es kann nicht sein, dass eine Bundesregierung ein Energiekonzept mit einer Zielsetzung verkündet, wonach die Sanierungsquote verdoppelt werden soll, und gleichzeitig die Mittel dafür mehr als halbiert.

Energiekosten sind ein Problem, Neuvertragsmieten das andere.
Die Entwicklung bei den Neuvertragsmieten macht uns große Sorgen. Wir haben insbesondere in Ballungszentren, Groß- und Unistädten ein riesiges Delta zwischen der Miete, die in laufenden Mietverhältnissen zu zahlen ist, und jener bei Neuanmietungen. In Berlin liegt das Delta bei 20, 30 Prozent, in ganz begehrten Stadtteilen noch höher. Deshalb hat der rot-rote Senat der Hauptstadt eine Gesetzesinitiative im Sinne einer Deckelung dieser Neuvertragsmieten gestartet. Das halten wir für vernünftig. Die Berliner leisteten die Vorarbeit – jetzt sind Koalition, Bundestag und Bundesrat gefordert.

Fragen: Gabriele Oertel

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