Der Zorn der Altbischöfe
In evangelischen Landeskirchen gibt es Streit um Akzeptanz homosexueller Paare in Pfarrhäusern
Erfurt/Hannover. Mit der Homosexualität haben sich die großen Kirchen immer schwergetan. Weil sich Lesben und Schwule inzwischen öfter outen, müssen sie jetzt aber Position beziehen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wagt den Vorstoß: Homosexuelle Paare sollen in den Dienstwohnungen offiziell zusammenleben dürfen. »Das ist bei uns seit Jahren gelebte Praxis«, sagen die Landeskirchen in Mitteldeutschland und im Rheinland. Acht Altbischöfe dagegen nehmen die Bibel wörtlich: Homosexualität werde in der Heiligen Schrift als widernatürlich bezeichnet und gehöre nicht ins Pfarrhaus.
Der Paragraf 39
Nach zähem Ringen hatte sich die EKD-Synode im November zu einem gemeinsamen Entwurf des Pfarrdienstgesetzes für alle Landeskirchen geeinigt. Stein des Anstoßes ist nun Paragraf 39 zum Thema »Ehe und Familie«, der bewusst offen gehalten ist und das Zusammenleben von Homosexuellen nicht ausschließt. Jede der 22 Landeskirchen könne ihn anwenden wie sie wolle, sagt EKD-Sprecher Reinhard Mawick. In Thüringen, Sachsen-Anhalt und Bayern sind evangelische Pfarrhäuser für schwule und lesbische Paare seitdem nicht länger tabu.
In der Kirchenprovinz Mitteldeutschland schreibe die neue Richtlinie nur eine gängige Praxis fest, sagt Landesbischöfin Ilse Junkermann. In Sachsen hatte es schon 1968 den ersten schwulen Pfarrer gegeben. Dass es mit den Gemeinden deshalb Probleme gebe, sei nicht bekannt, sagt die Bischöfin. Auch in rheinischen und hessischen Pfarrhäusern wohnen schwule und lesbische Paare längst zusammen.
Anders sieht es aus im konservativeren Südwesten: Die Landeskirchen in Württemberg und Baden haben homosexuellen Paaren den Einzug ins Pfarrhaus vor Jahren verboten. Jetzt stehen erneut heftige Debatten ins Haus. Der Initiativkreis Evangelisches Kirchenprofil schreibt in einem Brief: »Wer die theologische Kritik an der Homosexualität aufhebt, bringt Ehe und Familie in Gefahr.« Aus Württemberg kommen auch zwei der Altbischöfe, die sich mit einem offenen Brief scharf gegen den EKD-Vorstoß aussprechen. Einige Landeskirchen gäben die Orientierung an der Bibel auf, lautet der Vorwurf. Denn hier werde Homosexualität als »widernatürliche Lebensweise« bezeichnet. Der Ausschluss von Homosexuellen aus dem Pfarrdienst bedeute keineswegs, dass ihnen die Menschenwürde abgesprochen werde.
Das sei alles eine Frage der Bibelinterpretation, gibt Junkermann zu. EKD-Personaldezernent Christian Frühwald bezeichnete die Reaktion der Bischöfe auf der Internetseite evangelisch.de als nicht zeitgemäß. Der historische Kontext der Bibel müsse angesichts des verantwortlichen Handelns homosexueller Christen heute anders gedeutet werden. Auch der Hamburger Propst Horst Gorski zeigt kein Verständnis. Der Protest sei nur ein letztes Aufbäumen einer kleinen Minderheit, sagte er in der »Tageszeitung«.
Nicht gegen die Gemeinde
Doch die Altbischöfe sind nicht die einzigen Kritiker. Auch in Bayern löste der Beschluss der Landeskirche eine Protestwelle aus. Mehrere Mitglieder kündigten Kirchenaustritte an. Der Sprecher der Landeskirche, Johannes Minkus, sagt allerdings, von Austritten aufgrund des Beschlusses wisse er nichts. »Wenn, dann sind das Einzelfälle.« In den 1540 bayerischen Kirchengemeinden kenne er fünf homosexuelle Paare, die aber alle nicht in einer Dienstwohnung lebten. »Das wird sich erst realisieren, wenn ein Pfarrer neu in eine Gemeinde zieht.«
Doch gerade damit machen es selbst die liberaleren Landeskirchen den Homosexuellen nicht leicht: Ohne Zustimmung des Gemeindekirchenrats darf kein homosexueller Pfarrer eine Stelle antreten und mit seinem Partner zusammenleben. »Die Leitlinie ist: Kommt die Gemeinde damit klar?«, sagt Mawick.
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