Antikapitalismus als Quotenbringer

Rainer Langhans bessert im Dschungelcamp seine Pension auf

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Alt-68er eingesargt
Der Alt-68er eingesargt

Eine alte Bühnenregel besagt: »Das Theater ist so gut wie sein Publikum«. Und genauso bekommt jede Gesellschaft die Fernsehsendung, die sie verdient. Die spätkapitalistische Bundesrepublik erfreut sich derzeit an der fünften Auflage des Ekel-Reality-TV-Formats »Ich bin ein Star – holt mich hier raus!« Im australischen Urwald giftet sich ein knappes Dutzend prekarisierter Prominenter zwei Wochen lang in einer Art Pfadfindercamp gegenseitig an. Einige der teilnehmenden Ex-Schauspieler und derangierten Pop-Sternchen gaben schon vor Beginn der Show offen zu, dass sie nur mitmachen, um mit der Gage ihre Schulden abzubauen. Und mittendrin: Rainer Langhans, Althippie und Lifestyle-Ikone der 68er-Bewegung.

Im Dschungelcamp macht der einst in der legendären Kommu- ne 1 beheimatete und mittlerweile 70-Jährige gar eine »verschärfte Kommunen-Erfahrungsmöglichkeit« aus. So kann man es sich natürlich auch schönreden, wenn man in einer vor sexistischen und homophoben Witzen nur so triefenden privaten Fernseh-Show auftritt. Deren Prinzip ist naturgemäß simpel: Die Kandidaten müssen zum Beispiel Spinnen in den Mund nehmen oder sich in einer schlammigen Grube mit Maden wälzen. Drücken sie sich, bekommt die Gruppe nichts zu essen – der Versager steht quasi am Pranger. Die kapitalistische Wirklichkeit lässt sich in einer Spielshow kaum besser umsetzen

Jüngster Höhepunkt der täglich ausgestrahlten Show: der Alt-68er Rainer Langhans wurde beigesetzt. Jedenfalls für gute zehn Minuten. Der sonst im Münchner Stadtteil Schwabing wohnende, meist weiß gekleidete Vorzeigehippie mit Hang zur Spiritualität wurde am Samstagabend in einen Sarg mit 30 000 Kakerlaken gepackt, wo er zehn Minuten ausharren musste. Er nahm das recht gelassen. Überhaupt ist Langhans im Dschungelcamp eher still und verweigert sich der vorherrschenden hysterischen Ballermann-Stimmung. Als überzeugter Veganer führte er lediglich eine Diskussion über Tierquälerei und weigerte sich zunächst, in den Sarg zu steigen. Schließlich spielte er dann aber doch mit. Musste auch sein, denn Langhans ist neben den C-Promis der Top-Akt der Show – inklusive seiner kritischen Haltung.

In Zeiten von Gorleben und Stuttgart 21 ist das kein Wunder. Da mobilisiert der Hofnarr der angestaubten 68er-Bewegung die so wichtige Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Protestkultur und Antikapitalismus sind derzeit einfach Quotenknüller.

Diesen Umstand nutzt auch ein Online-Schuhhaus, in dessen Spot Langhans und die Kommune 1 als ein Haufen moralinsaurer Trottel dargestellt werden. Langhans hat sich dagegen juristisch zur Wehr gesetzt und fordert Schmerzensgeld. Wahrscheinlich kann er das brauchen, genauso wie die 50 000 Euro Start-Gage für das Dschungelcamp, womit sich Langhans seine Offizierspension von gerade einmal 197 Euro monatlich aufbessert. Denn Anfang der 60er machte er noch eine Ausbildung bei der Bundeswehr und robbte als Offiziersanwärter mit dem Gewehr ganz systemkonform durch den Schlamm. Natürlich bevor er in der wilden Kommune 1 im beschaulichen Berliner Stadtteil Friedenau wirkte, wo er ein schon mythisch verklärtes Pudding-Attentat auf den US-Vizepräsidenten bei seinem Berlinbesuch plante, mit der Hippie-Ikone Uschi Obermaier liiert war und 1967 wegen eines Anti-Vietnam-Krieg-Flugblatts vor Gericht gestellt wurde. Aber davon ist der heutige Langhans, der in München mit seinem Anhang gerne durch den Englischen Garten flaniert, weit entfernt. Jetzt wird mit dem alternativen Protestimage fleißig Kasse gemacht.

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