»Raus aus dem Trott, und schön laut werden«

WIR HABEN'S MAL PROBIERT: Nach jahrzehntelanger Rock-Pause wieder an den Geräten - »LOUD.« aus Hamburg

  • Lesedauer: 3 Min.
Den Hamburger Friseurmeister Jan Helmers (60) konnten ob seines Bürgerengagements und seiner Couragiertheit bisher weder Sanierungsplan noch Heuschreckeninvestor aus dem historischen Gängeviertel vertreiben (ND berichtete). Nun hat der rebellische Coiffeur auch noch eine Rockband auf die Beine gestellt. Das Besondere an »LOUD.« ist die Generationsspannweite: Neben Helmers und dem Bassisten Jørn Haugen (55), im norwegischen Tromsø geboren, stehen in der bis zu sechsköpfigen Formation auch der 22-jährige Leadsänger Victor Leschinski sowie die Back-up-Vokalistin Julia Lüken, ebenfalls deutlich unter 30.
Friseurmeister und Bandgründer Jan Helmers (r.), IT-Dozent und Bassist Jørn Haugen
Friseurmeister und Bandgründer Jan Helmers (r.), IT-Dozent und Bassist Jørn Haugen

Haben Sie schon früher gerockt, Herr Helmers?

Helmers: Bereits während meiner Azubizeit hatte ich eine Band. Als Verstärker musste damals ein Radio herhalten.

Und warum haben Sie nun wieder angefangen?

Helmers: Wenn du den Rockvirus intus hast, bricht der irgendwann unweigerlich aus. Auslöser war ein Konzertbesuch. Am nächsten Tag habe ich mich in einer Musikschule eingeschrieben, weil ich meine Technik auffrischen wollte. Am Rande des Unterrichts habe ich die passenden Leute für »LOUD.« kennengelernt. Seitdem proben wir im Keller des Frisiersalons. Dort gibt es jeden Freitagabend ordentlich was auf die Ohren!

Sie sind Bassist, Herr Haugen, und IT-Dozent im Hauptberuf.

Haugen: Meine aktive Rock-Pause dauerte 25 Jahre. In der Jugend, so ab dem 13. Geburtstag, hatte für mich nur noch Musik gezählt. Später standen dem dann Beruf plus familiäre Verpflichtungen entgegen. Heute jedoch sind die Kinder erwachsen und ausgezogen, ich habe mehr Zeit, und alles kommt wieder hoch.

Und warum wieder Rock, warum lassen Sie's im Alter nicht etwas besinnlicher angehen?

Haugen: Mit Rock bin ich groß geworden. Ich höre zwar auch Klassik oder Jazz, aber sobald ich selber spiele, muss es definitiv Rock sein.

Dass »Best Ager« Vollgas geben, liegt offenbar voll im Trend.

Haugen: Wer Lust dazu hat, soll es unbedingt tun! Raus aus dem Trott, und schön laut werden!

Welche musikalische Vorbilder haben Sie?

Haugen: Besonders beeindruckt hat mich Jaco Pastorius, der 1987 viel zu früh verstorbene Bassist von »Weather Report«.

Falls Sie sich von einer Fee wünschen könnten, so gut zu werden wie eine der Rock-Gitarrenlegenden …,

Helmers: … würde ich Chuck Berry oder Keith Richards wählen.

Ihre Band hat ja auch Hits der »Rolling Stones« im Repertoire.

Haugen: Klar, dazu beispielsweise auch welche von Billy Idol.

Helmers: Und bald haben wir auch »Hero« von David Bowie richtig drauf.

Klingt nicht nur nach Hobbyspaß, sondern ambitioniert.

Haugen: Selbstverständlich wollen wir mehr. Eigenes Material inklusive.

Helmers: Und im Sommer sind Open Air-Auftritte geplant.

Wie klappt das Besondere an »LOUD.«, der Generationenmix?

Helmers: Absolut, denn die Liebe zum Rock verbindet uns. Schließlich kannst du Rock machen, egal, wie alt du bist.

Hat die späte Rückkehr in die Rockszene Ihre Einstellung zum Leben insgesamt verändert?

Helmers: Einen Friseursalon zu führen, das ist ein täglicher Kampf, um nicht in die roten Zahlen abzurutschen. Ohne den Rock wäre ich längst abgedreht hier. Nehme ich meine E-Gitarre und schlage die ersten Akkorde, vergesse ich den Rest der Welt.

Haugen: Dieses Gefühl, dass du gemeinsam mit anderen Leuten etwas zustande bringst, indem du einen Song anspielst, und dann rennt die Musik nach vorne, das ist einfach toll.

Helmers: Devise »Don’t stop« – immer weiter auf der Straße!

Gespräch: René Gralla

Rockband »LOUD.« Kontakt über Jan Helmers, Caffamacherreihe 41, 20355 Hamburg, Tel.: 040 / 34 57 49

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