Aus wenig Geld das Beste machen

Finanzen - Teil 24 - Beraten und verkauft – Was Sparer beherzigen sollten

  • Lesedauer: 5 Min.
Die Berater in Banken und Versicherungen sind auch nur Menschen und schauen darum gerne auf das eigene Portemonnaie. Wie Autoverkäufer und Zahnärzte wollen Berater in Banken vor allem eines, ihre Produkte an den Mann oder die Frau bringen. Das Geschäftsmodell Finanzberatung, meinen Verbraucherschützer, ist darum gescheitert.

An Geld mangelt es nicht. Trotz Finanzkrise sind auch im zurückliegenden Jahr 2010 die Geldvermögen der Deutschen weiter angewachsen, auf insgesamt 4,88 Billionen Euro. Das entspricht einer Steigerung um 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Statistisch, heißt es in einer Studie von Allianz Global Investors, besitzt jeder Bundesbürger nun rund 60 000 Euro. Kein Wunder also, dass sich in Deutschland so viele Banken, Versicherungen und Fonds tummeln wie in kaum einem anderen Land.

Dabei bleibt die Beratungsqualität schnell mal auf der Strecke. Und wer nur »ein wenig sparen« möchte, muss oft mit noch weniger Beratungsqualität zufrieden sein. Was Verbraucherschützer seit geraumer Zeit beklagen, belegten im vergangenen Jahr viele Markttests. Hier eine Auswahl:

Eklatante Fehler, Missachtung der Gesetze

  • Zinswucher beim Dispokredit: 14 Prozent und mehr verlangen Banken, und das bei Leitzinsen um ein Prozent. Die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank schlagen voll durch, aber nur auf der Einlagenseite.
  • »ZDF Reporter« testen Strukturvertriebe. Das sind hierarchisch und pyramidenartig aufgebaute Verkaufsorganisationen. Das Ergebnis: Überteuerte Produkte wurden verkauft, der Bedarf der Kunden blieb außen vor, und selbst auf mehrmalige Nachfrage wagte kein Berater, die Kosten seiner Angebote zu nennen.
  • In der Wochenzeitung »Die Zeit« ist der Erfahrungsbericht eines Journalisten zu lesen, der verdeckt beim Strukturvertrieb AWD angeheuert hatte. Sein Schlusswort »Ich lerne: Der Erfolg meiner Arbeit bei AWD wird nicht daran gemessen, wie gut ich jemanden berate, sondern daran, wie viel Geld er am Ende für Produkte ausgibt, die ich empfehle. Ich soll meine Beziehungen und Kontakte zu Geld machen.«
  • Verbraucherzentralen und deren Bundesverband VZBV schicken zusammen mit Fernsehreportern Tester in Banken. Heraus kamen eklatante Fehler, die Missachtung bestehender gesetzlicher Informationspflichten, und die Mehrzahl der Beratungen scheiterte bereits im Ansatz.
  • Der ARD-Ratgeber »Geld« ließ Versicherungsvermittler überprüfen. Man will wissen, was die Vermittlerrichtlinie, die seit Mai 2007 in Kraft ist, gebracht hat. Fazit: »Wir haben durch die Bank weg heiteres Tarife-Raten erlebt, bei dem der Kunde ganz klar der Dumme ist. Wenn überhaupt Bedarfsanalysen durchgeführt wurden, dann waren die alle fehlerhaft. Und natürlich hat das in der Folge auch zu völlig falschen unsinnigen Produktempfehlungen geführt. Und das erklärt wohl auch, dass unterm Strich keiner der Vermittler das gesetzlich geforderte Protokoll geführt hat.«
  • Auch die Stiftung Warentest checkt Versicherungsvermittler. Der Brancheninfodienst »Versicherungsjournal« schreibt dazu: »Runter vom hohen Ross. Die Kritik an der Beratungsqualität der Versicherungsvermittler trifft die Branche zu einem Zeitpunkt, in dem sie sich gerade als Vorbild für mehr Qualität im gesamten Finanzvertrieb eingestuft sieht.«
  • Das Fachblatt »Finanztest« weist nach, dass deutsche Banken trotz der Pleite mit Zertifikaten der US-Investmentbank Lehman Brothers weiterhin komplexe, unverständliche Zertifikate an Jedermann verkaufen.
  • Herbert Walter, Ex-Vorstand der Dresdner Bank, fordert mehr Ehrlichkeit in der Beratung – Ehrlichkeit sei in dieser Branche eine Seltenheit.
  • Ein Insider berichtet in der Zeitschrift »Wirtschaftswoche« über das Verkaufstraining der Allianz. Sein Fazit: »Ich bin Investmentanalyst geworden, um Kunden optimal zu beraten, nicht um ihnen wissentlich am Bedarf vorbei Policen zu verkaufen.«
  • Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) stellt ein Gutachten von Professor Andreas Oehler vor: Die Suche nach dem richtigen Riestervertrag gleiche einer Lotterie. Noch schlimmer aber ist, dass die Hälfte der Befragten Anbieter bestehende Gesetze missachte und keine Angaben zu den Kosten mache.

Jeder zweite Kunde schlecht beraten

Durch die in Deutschland weit verbreitete Schlechtberatung ist bis zu jede zweite Geldanlage »falsch«. Das befürchten jedenfalls Experten. Falsch bedeutet, das Finanzprodukt passt nicht zu den konkreten Bedürfnissen des Kunden.

Ein Hauptgrund ist die Abschlussprovision, die freie und fest angestellte Bankberater, Versicherungsangestellte und Fondsmitarbeiter kassieren, wenn sie ein Produkt verkaufen. Dabei geht es um erkleckliche Summen. Für den Abschluss beispielsweise einer Krankenversicherung sollen bis zu neun Monatsbeiträge an den Vermittler gezahlt werden. Andersherum betrachtet: Wenn Sie beispielsweise einen privaten Rentensparvertrag abschließen, zahlen sie unter Umständen mehrere tausend Euro an »Honorar« in Form der Provision – ohne das Sie es merken.

Da wird dann vom Anbieter schnell die Police, der Fondsanteil oder die Sparanlage empfohlen, die dem »Berater« die höchste Provision einbringt. Und bei Sparkassen werden schon Auszubildende angehalten, drei Kunden in die Beratung zu schicken – pro Tag.

Die Gewerkschaft Verdi beklagt denn auch den hohen Verkaufsdruck, unter dem die Mehrzahl der Beschäftigten leidet, die seriös arbeiten und Kunden fair beraten wollen.

«Das Geschäftsmodell Finanzberatung, wie wir es seit Jahren kennen, ist nun für jedermann sichtbar gescheitert«, sagt Niels Nauhauser, Finanzfachmann der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Neue gesetzliche Regelungen würden demnächst zumindest Symptome kurieren, und auch in der Finanzbranche beobachtet Nauhauser ein Umdenken. Viele Akteure wollen sich künftig stärker am Verbraucherinteresse orientieren. Nur so könne man Marktanteile halten.

Eine konkrete Alternative stellt heute schon die sogenannte Honorarberatung dar. Der Kunde zahlt – wie beim Arzt oder Rechtsanwalt – ein bestimmtes Honorar für die »Behandlung«. Der Verbund Deutscher Honorarberater (VDH) ist eine Servicegesellschaft und Produktplattform für etwa 400 angeschlossene Firmen. Gegründet wurde das Dienstleistungsunternehmen im Jahre 2000 und hat seinen Sitz in Amberg (www.honorarberater.eu).

Der neue Berufsverband Deutscher Honorarberater (BDVH) vertritt nach eigenen Angaben 1500 Honorarberater in Deutschland, die insgesamt über drei Milliarden Euro an verwalteten Kundengeldern betreuen

(www.deutsche-honorarberater.de).

Günstiger für Kleinsparer dürfte im Regelfall die Beratung durch eine Verbraucherzentrale sein. Die öffentlichen Verbraucherzentralen bieten bundesweit Beratungen über Geldanlage, Rente und Versicherung an – gegen Honorar.

HERMANNUS PFEIFFER

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