Chemnitz gibt sein letztes Hemd

Stadtrat musste hartes Sparpaket schnüren

  • Hendrik Lasch, Chemnitz
  • Lesedauer: 2 Min.
Grundsteuer rauf, Bürgermeister weg, Schulbus teurer: Die Stadt Chemnitz hat ein hartes Sparpaket beschlossen – weil Bund und Land mehr Aufgaben übertragen, aber weniger zahlen.

Wer in Chemnitz falsch parkt, erhält künftig auch am Samstag ein Knöllchen. Bisher ließ man Milde walten, doch mit dem nun endgültig beschlossenen Sparpaket ist damit Schluss. Immerhin soll nicht nur gekürzt, sondern auch mehr eingenommen werden – an Bußgeldern allein 1,5 Millionen Euro.

Zehn Monate wurde um das Finanzpaket gerungen, das notwendig wird, weil in den kommenden Jahren durchschnittlich 50 Millionen Euro im Etat fehlen. Der Grund ist nicht, dass man über die Verhältnisse lebt – bis 2009 war der Haushalt ausgeglichen. 2010 wurde zwar das Ersparte angegriffen, die Steuereinnahmen bewirkten aber am Ende ein Plus. Nun jedoch sorgen gekürzte Landeszuweisungen und vom Bund zusätzlich übertragene Lasten etwa bei der Unterbringung von Hartz-IV-Empfängern für rote Zahlen.

Die Verwaltung um OB Barbara Ludwig (SPD) bat die Fraktionen daraufhin um Vorschläge für Kürzungen und legte im August ein Paket mit 222 Sparmaßnahmen vor – das von CDU und Linkspartei abgelehnt wurde. Letztere hatte zwar unter anderem mit den Vorstößen, die Grundsteuer zu erhöhen und eine Bettenabgabe von einem Euro je Nacht in Hotels einzuführen, Gehör gefunden. Man wolle aber soziale Einschnitte nicht mittragen, sagt Fraktionschef Hubert Gintschel.

Ludwig, die betonte, man hätte »vieles nicht vorgeschlagen, wenn wir nicht müssten«, schnürte danach zwei Päckchen. Unstrittige Einsparungen im Umfang von 30 Millionen beschloss der Rat im November, so die Reduzierung der Dezernate und Fachbürgermeister von fünf auf vier. Diese Woche wurde über verbliebende heiße Eisen abgestimmt. Dabei scheiterte der Vorschlag zur Senkung der Betreuungszeit für Kinder Arbeitsloser in Kitas ebenso wie der zur Schließung des botanischen Gartens und des Freibads Bersdorf – zur Genugtuung der LINKEN, die diese wie weitere 39 Maßnahmen abgelehnt hatten. Doch gebe es »bittere Pillen«, sagt Gintschel: Für Schülertransporte müssen Eltern mehr zahlen, bei Schulfahrten werden Zuschüsse gestrichen, und die Stadt bildet nur noch so viele Azubis aus, wie sie selbst einstellt.

Ein fader Nachgeschmack bleibe nach dem Beschluss, so Gintschel. Weil die Stadt ihre Finanzen selbst in den Griff bekommt, bleiben ihr zwar permanente Vorgaben der Kommunalaufsicht erspart. Bund und Freistaat könnten aber den fatalen Eindruck gewinnen, dass sie kürzen könnten, »und wir fangen das schon auf«. Faktisch habe sie jedoch ihr »letztes Hemd« geopfert – und steht nackt da. Zwei Saunen werden dennoch geschlossen.

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