Kohl stürzt sich selbst vom Sockel

Altkanzler bremst Dresdner Denkmal-Idee

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Zur Erinnerung an einen Auftritt von Helmut Kohl im Dezember 1989 wollte die Dresdner CDU dem Ex-Kanzler ein Denkmal errichten. Das Problem: Der Geehrte selbst ist gar nicht begeistert – und stoppte das Vorhaben.

Im Nachhinein war alles gar nicht so gemeint: Niemand hatte die Absicht, ein Denkmal zu bauen, tönt es aus der Dresdner CDU – zumindest nicht eines, das den Helden in persona darstellt. Helmut Kohl, so viel ist sicher, wird nicht in Bronze auf dem Neumarkt stehen.

Dabei wallt in Sachsens Landeshauptstadt seit Wochen eine erregte Debatte durch Lokalparlamente, Leserbriefspalten und das Internet. Auslöser: der Antrag auf »Errichtung einer Denkmalstätte«, den die CDU in den Stadtrat einbrache. Geplant sei ein Erinnerungsort an eine »historische Rede«, die Kohl als Bundeskanzler am 19. Dezember 1989 vor der Ruine der Frauenkirche hielt. Umjubelt von frenetischen Sachsen, sagte dieser damals, sein »Ziel bleibt, wenn es die geschichtliche Stunde zulässt, die Einheit unserer Nation«.

Vor allem für die Dresdner Union ist das Datum seither geheiligt. Schon vor Jahren wurde Kohl, der andernorts in der CDU nicht mehr wirklich gern gesehen wurde, demonstrativ zu einer Art Revival der Rede eingeladen, ein Ereignis, das zugleich als Gipfeltreffen mit dem zweiten Säulenheiligen der Freistaats-CDU, dem Kohl-Antipoden Kurt Biedenkopf, inszeniert wurde. Jenseits der Partei freilich ist der 19. Dezember '89 weniger im Bewusstsein, was einen jungen Stadtrat, der im Wendejahr 15 Jahre alt war, zur Denkmalsidee inspirierte.

Die Öffentlichkeit reagierte, höflich formuliert, reserviert. Im Ortsbeirat Altstadt fiel der forsche Vorstoß glatt durch; angemerkt wurde, dass ein Denkmal für die Demonstranten vom Herbst 1989 angemessener und die »Zeit des Personenkults vorbei« sei. Im Internet kursierten derweil Fotomontagen, auf denen der Kopf Kohls auf dem – tatsächlich auf dem Platz neben der wieder aufgebauten Frauenkirche befindlichen – Denkmal für Reformator Martin Luther sitzt.

In dieser Woche indes kam man in der Dresdner Staatskanzlei auf die Idee, Kohl selbst zu fragen, was er von dem Gedanken halte. Die von CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich überbrachte Antwort ist deutlich: Nichts. Lieber solle eine Gedenktafel für den Herbst 1989 und die folgende Wiedervereinigung angebracht werden.

Das, erklärt CDU-Stadtchef Lars Rohwer in ehrfürchtigem Ton und mit Dank für des Altkanzlers »persönliche Worte«, habe man natürlich schon immer gewollt; von einer »Denkmalstätte«, wird hinzugefügt, habe man nur gesprochen, weil dank dieses Begriffs ein Förderprogramm des Freistaats angezapft werden könne. Aus dem Topf »Denkmalstätten 20 Jahre friedliche Revolution und deutsche Einheit« hofft man auf 25 000 Euro.

Ob der Vorschlag des Altkanzlers erhört wird, entscheidet sich am 3. März; dann berät der Stadtrat über den Vorschlag der CDU – die indes für die verbale Akrobatik nach der Kohl-Absage ihr Fett abbekommt: Deren unangenehme »Liebedienerei«, schreibt eine Dresdner Boulevardzeitung, sei als ein »Meisterstück an Peinlichkeit« geendet.

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