Schulkinder mit Übergewicht

Langzeiterhebung in Sachsen-Anhalt offenbart Unwissen über Ernährung

  • Uwe Kraus, Magdeburg
  • Lesedauer: 2 Min.
Kinder mit niedrigem Sozialstatus waren in Sachsen-Anhalt zum Zeitpunkt ihres Schuleintritts fast zwei Mal häufiger von Übergewicht (12,6 Prozent), drei Mal häufiger von Adipositas (7,1 Prozent) und nahezu fünf Mal häufiger von extremer Adipositas (2,4 Prozent) betroffen als Kinder mit hohem Sozialstatus. Das ist das Ergebnis des jüngsten Kinder- und Gesundheitsberichtes.

Dass die meisten Kinder in Sachsen-Anhalt heute gesünder als zu Beginn der 90er Jahre seien, dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien deutliche Gesundheits- und Entwicklungsdefizite hätten. Das erklärte Sachsen-Anhalts Gesundheitsminister Norbert Bischoff (SPD) in der vergangenen Woche bei der Vorstellung der seit 20 Jahren fortgeschriebenen Einschulungsstudie und des am Mittwoch erstmals vorgelegten Kinder- und Jugendgesundheitsberichts.

Kinder mit niedrigem Sozialstatus, das sind nach Ministeriumsangaben im Einschulungsalter 20,7 Prozent der sachsen-anhaltischen ABC-Schützen, und dabei besonders die Jungen, leiden vermehrt unter Bronchitis, sind häufiger übergewichtig, treiben weniger Sport und haben schlechtere Zähne als ihre Altersgefährten.

Zunehmend seien die Eltern überfordert, Gesundheits- und Freizeitangebote zu finden und mit ihren Kindern zu nutzen, stellte der Minister fest. »Im Interesse der Kinder müssen wir daher näher an die Eltern ran und im Land die Ganztagsangebote ausbauen.« Er sieht ebenso wie Prof. Dr. Andreas Geiger, Vorsitzender der Landesvereinigung für Gesundheit, Schwerpunkte bei der gesunden Ernährung der Kinder. »Wer zu Hause nicht lernt, dass man einen Apfel anbeißt und Möhren gekaut werden müssen, weil es dort kein Obst und Gemüse auf dem Tisch gibt, den wollen wir in der Kita daran heranführen.« Andreas Geiger verweist auf landesweit 60 Modellprojekte für die Gesundheitsziele 2011. Mehrere davon befassten sich mit Ernährungsfragen. In Rottleberode vermittle man mit der Aktion der »Geschmacksentdecker« an Kinder aus vier Kindertagesstätten und drei Grundschulen unter enger Einbeziehung von Eltern und Lehrern ernährungsrelevante Themen. In Barleben (Börde) wird beispielsweise ein Familienzentrum zu einem regionalen Kompetenzzentrum für Ernährung und Bewegung entwickelt. Familien mit Kindern sollen hier mehr über gesundes Essen lernen und erfahren, wie man im Alltag Bewegung fördern kann. Kitas seien nicht nur Orte, in denen Wissen vermittelt wird, sie sollen auch Kenntnisse über gesunde Verhaltensweisen an Kinder und Eltern weitergeben, so Minister Bischoff. Nach seiner Meinung ist der Anteil übergewichtiger Kinder im Land nicht so extrem hoch, wie es in der Öffentlichkeit oder in den Medien mitunter dargestellt werde. Insgesamt lag er im Zeitraum der Einschulungsjahrgänge 1991 bis 2010 bei etwa 11,6 Prozent, erklärte Dr. Hanna Oppermann vom Landesamt für Verbraucherschutz.

Bei der Schulanfängerstudie Sachsen-Anhalt handelt es sich um eine in dieser Form bundesweit einmaligen Langzeit-Datenreihe. Seit dem Jahr 1991 werden im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen anonymisiert Gesundheitsdaten von Kindern auf freiwilliger Basis erhoben und Eltern zum Lebensumfeld befragt. Mittlerweile stehen Daten von mehr als 33 000 Kindern zur Verfügung. Die aktuelle Studie umfasst die Einschulungsjahrgänge 2008 bis 2010. Es wurden 3621 Kinder in Magdeburg, Halle, Merseburg, Salzwedel, Gardelegen und Osterburg befragt.

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