Rente mit 67 in der Kritik

Nur 6,3 Prozent der 64-Jährigen arbeiten Vollzeit und sozialversichert, sagt die LINKE

Heute beschäftigt sich der Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages mit der Frage, ob die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre vertretbar ist. Der rentenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Matthias W. Birkwald, spricht von einer »gleichbleibend niederschmetternd schlechten Beschäftigungssituation« älterer Menschen.

Die »Rente mit 67« hat viele Gegner. 100 000 von ihnen können die Bundestagsfraktionen ab heute Mittag sogar namentlich nennen. Sie alle haben den Aufruf der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) »›Rente mit 67‹ stoppen – Erwerbsminderung besser absichern!« unterschrieben. Vor dem Paul-Löbe-Haus in Berlin wird eine Delegation der Baugewerkschaft die Unterschriftenliste an die Fraktionen übergeben.

Anlass ist die öffentliche Anhörung von Sachverständigen im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages, die im Anschluss stattfinden wird. Mit dabei sein werden Wissenschaftler sowie Vertreter der Arbeitgeberverbände, der Gewerkschaften und der Bundesagentur für Arbeit. Sie beschäftigen sich mit dem Bericht »Aufbruch in die altersgerechte Arbeitswelt«, den das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im November vorgelegt hatte, und Anträgen der Fraktionen aller Oppositionsparteien.

In der Darstellung von Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte alles so wunderbar geklungen. Die Zahl der Arbeitslosen über 55 Jahre habe sich seit dem Jahr 2000 halbiert, drei von vier Beschäftigten hätten nun sozialversicherungspflichtige Vollzeitjobs. Mit 41,1 Prozent habe sich die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen nahezu verdoppelt. So muss es auch klingen, denn mit der Anhebung des Rentenalters wurde die Pflicht, die Vertretbarkeit dieser Maßnahme zu belegen, gesetzlich festgeschrieben.

Die Oppositionsparteien haben sich von der Ministerin nicht überzeugen lassen und genauer hingeschaut. Während die SPD den Zugang zur Rente flexibilisieren und die Grünen »Voraussetzungen für die Rente mit 67« schaffen wollen, plädiert die LINKE für die vollständige Rücknahme des Gesetzes. »Im Juni 2010 gingen gerade mal 6,3 Prozent aller 64-Jährigen und nur 3,7 Prozent der 64-jährigen Frauen einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung nach«, sagt der rentenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Matthias W. Birkwald. »Damit ist die Rente ab 67 nichts anderes als ein gigantisches Rentenkürzungsprogramm.«

Die genannten Zahlen erhielt Birkwald nicht vom Bundesarbeitsministerium. Auf schriftliche Fragen etwa nach der Quote der Erwerbspersonen, der Erwerbslosen und der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, unterteilt in die Altersgruppen 60, 61, 62, 63 und 64 Jahre, bekam er die Antwort, diese Zahlen lägen (noch) nicht vor. Birkwald rechnete auf der Grundlage von Daten der Bundesagentur für Arbeit für Juni 2010 selbst nach. Danach ist zwar ein gutes Viertel aller 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, aber eben nur 9,2 Prozent der 64-Jährigen. Von denen wiederum sind längst nicht alle vollzeitbeschäftigt, und bei den Frauen sieht es erwartungsgemäß noch schlechter aus als bei den Männern.

Wie die IG BAU fordert Birkwald außerdem, Menschen mit Erwerbsminderungsrenten »vor ungerechten Kürzungen und vor Altersarmut« zu schützen. Krankheit dürfe nicht länger arm machen.

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