Von den Vorzügen des Katzentisches

Parlamentariertreffen in Magdeburg wurde zum Programmkonvent außer der Reihe

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Insgesamt 281 Abgeordnete vertreten derzeit die LINKE in Landtagen, Bundestag und EU-Parlament. Der Großteil von ihnen traf sich am Wochenende in Magdeburg zu einem Parlamentariertag.
In einer der Arbeitsgruppen
In einer der Arbeitsgruppen

Der Katzentisch hat in Schwerin einen guten Ruf, wie Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow – die einzige Linkspolitikerin mit dieser Funktion in Deutschland – im Magdeburger Kulturwerk Fichte versicherte. Er ist dem Thema streunende Katzen in der Stadt gewidmet und deshalb eine anerkannte Institution, wie sie unter belustigtem Beifall schilderte. Auf dem Parlamentariertag der Linkspartei am Wochenende ging es auch um die Details einer bürgernahen Stadtverwaltung, denn das Treffen war den Ansprüchen der Partei an den Begriff der Demokratie gewidmet, der nur auf den ersten Blick ein abstrakter Begriff ist.

Der Parlamentariertag, erste Veranstaltung dieser Art, verdankte sein Zustandekommen vor allem dem Superwahljahr 2011, auch wenn das niemand so ausdrückte. Der Spitzenkandidat des sachsen-anhaltischen Landesverbandes, Wulf Gallert, versprach sich dennoch »Unterstützung für unseren Wahlkampf« durch das Treffen. Hier in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts will die LINKE in einem Monat stärkste Fraktion werden und mit Gallert auch den Ministerpräsidenten stellen. Nach der Wahl vor einer Woche in Hamburg, der ersten von sieben Landtagswahlen des Jahres, war die Stimmung gelöst, denn dort gelang der Wiedereinzug in die Bürgerschaft. Aber die noch bevorstehenden Entscheidungen bergen noch Unwägbarkeiten genug.

Zugleich nutzte man das Treffen als Beitrag zur Programmdebatte. Gregor Gysi, Fraktionschef im Bundestag, hat in jüngster Zeit häufig den Demokratiebegriff hervorgehoben, wenn es um die programmatische Ausrichtung der Linkspartei ging. In Magdeburg begründete Gysi in einer theoretisch-analytischen Rede den für die LINKE existenziellen Anspruch: nicht nur die Partei mit konsequent sozialen Forderungen zu sein, sondern auch die Partei, die dank dieses Anspruchs konsequent emanzipatorische Ziele verfolgt. – gegen den Mainstream. »In dieser, unserer Demokratie ist es möglich, dass der politische Diskurs des Establishments eine ideologische Linie als Selbstverständlichkeit ausgibt, die für größere Teile der Bevölkerung überhaupt nicht selbstverständlich ist.« Die LINKE, selbst immer wieder an den politischen Katzentisch verbannt, wie die Verhandlungen des Vermittlungsausschusses zur Hartz-IV-Reform zeigten, sieht sich auf diese Weise zugleich mit den mehrheitlich benachteiligten Bürgern gleichbehandelt, deren Interessen sie vertritt. Ein Nachteil, der wenigstens einen Vorteil in Wahlen verschaffen müsste. Stattdessen sieht sich die LINKE in Mithaftung genommen, wenn ohnmächtige Bürger die eigene politische Frustration ihr, wie den anderen Parteien, in die Schuhe schiebt. Ihre Vorschläge zur Demokratisierung der Gesellschaft sind somit auch ein Mittel zur Selbsterhaltung.

Zugleich handelt es sich um einen theoretisch höchst anspruchsvollen Gegenstand. So dürfte nicht jeder in der Linkspartei Gysi folgen, wenn dieser in seiner Rede meinte, dass der demokratisch verfasste Staat Bundesrepublik genau »die politische Form« darstelle, »in der die politische und soziale Emanzipation stattfinden kann«. Hier ist die Partei mitten in der Programmdebatte.

Ein anderes Thema ist die Wirtschaftsdemokratie. »Wir müssen dafür sorgen, dass die Demokratie nicht mehr am Werkstor enden kann«, sagte Parteivorsitzender Klaus Ernst am Sonntag zum Abschluss. Das sei eine Kernfrage der Demokratie. »Unser Ansatz muss sein: Kollektives Eigentum der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, damit sie auch etwas zu entscheiden haben in ihren Betrieben«. Die Diskussion am Katzentisch geht weiter.

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