DDR-Erstling »Poly-Play« ist der Star

Computerspielemuseum Berlin: In der Karl-Marx-Allee 93 a können Besucher vieles selbst ausprobieren

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Kulisse gehört einer vergangenen architektonischen Epoche an. In der Berliner Karl-Marx-Allee 93 a verbirgt sich jedoch ein Ort, der bunt und poppig die digitale Zukunft feiert. Hier nämlich hat der studierte Religionswissenschaftler ANDREAS LANGE (43) das Computerspielemuseum Berlin eröffnet.
Museumsspieler
Museumsspieler

ND: Computerspiele symbolisieren im dem Freizeitsektor die Moderne schlechthin. Aber hier bei Ihnen sind sogar schon diese E-Games museal geworden?
Lange: Richtig. Das hat eben mit den Entwicklungszyklen der Gegenwart zu tun, die sich ständig beschleunigen.

Die Spiele, denen sich Ihr Museum widmet, sind virtuell. Und genau diese Virtualität widerspricht doch eigentlich der Präsentation in einem Museum, wo Besucher von Exponat zu Exponat schreiten.
In der Tat ist die klassische Ausstellung ein räumliches Medium. Folglich haben wir hier einen besonderen Übersetzungsprozess leisten müssen, um das Kulturgut Computerspiel mit physisch greifbaren Elementen sichtbar zu machen. E-Games bestehen eben nicht nur aus Codes, sondern dazu gehören notwendigerweise auch Maschinen, an denen real gespielt wird.

So sehen wir auch ein echtes Unikat, nämlich »Poly-Play«, den ersten und einzigen Spielautomaten der DDR.
Der wurde im VEB Polytechnik Karl-Marx-Stadt entwickelt und zwischen 1986 und 1989 produziert. Der Automat stand vorwiegend in Freizeiteinrichtungen wie FDGB-Ferienheimen. Schließlich hat der ziemlich viel gekostet, ungefähr 22 000 Mark. Vom »Poly-Play« hat es geschätzt 2000 Exemplare gegeben.

Wie unterhaltsam war diese »Poly-Play«-Maschine denn eigentlich?
Das Spiel für wirklich Ambitionierte war ein Programm, das eine Schießbude auf dem Jahrmarkt simuliert hat.

Was Ihre Schau von der Konkurrenz anderer Museen unterscheidet: Sie ist interaktiv. In der Karl-Marx-Allee 93 a ist ausdrücklich erwünscht, dass die Besucher mitmachen.
Computerspiele geben ihrem Nutzer ja die Möglichkeit, mit dem Medium zu interagieren und selbst zu bestimmen, was an bestimmten Stellen passiert. Das zeichnet die E-Games aus. Und deswegen laden wir immer dort, wo es praktisch möglich und inhaltlich sinnvoll ist, dazu ein, die betreffenden Spiele selber mal auszuprobieren.

Unter anderem dürfen wir hier sogar punkten beim Klassiker »Pong«, das ist quasi elektronisches Tischtennis.
Wir lassen Besucher allerdings nur an eine Konsole ran, die mit einem Fernseher verbunden ist. Der echte »Pong»-Automat, den wir ebenfalls zeigen, wird dagegen bloß ausnahmsweise eingeschaltet, denn das ist ein rares Originalexemplar.

Neben dem kultigen »Pong«, Urvater der Atarivideospiele aus dem Jahr 1972, gehören zum Genre auch die umstrittenen Egoshooter. Wie behandeln Sie das heikle Thema?
Egoshooter waren an bestimmten Entwicklungstellen auch Meilensteine. In unseren Katalog aufgenommen haben wir deshalb »Far Cry« und »GTA IV«, ...

... was zum einen für »Grand Theft Auto« steht und sich um den Überlebenskampf eines Immigranten in einem fiktiven New York dreht, zum anderen als »Far Cry« von den Autoren auf eine Pazifikinsel verlegt worden ist.
Genau. Wir bieten diese Spiele aber nicht interaktiv an, sondern beschränken uns auf Szenenmitschnitte, die wir quasi als Videos einspielen. Die sind von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle geprüft und gemäß USK freigegeben ab sechs Jahren.

Gespräch: René Gralla

Computerspielemuseum, Karl-Marx-Allee 93a, 10243 Berlin.
Infos zu Öffnungszeiten und Eintrittspreisen: www.computerspielemuseum.de

Museumsdirektor Andreas Lange
Museumsdirektor Andreas Lange
Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal