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Atomfreund Mappus in der Zwickmühle

AKW-Katastrophe in Japan wird wahlentscheidend

  • Lesedauer: 3 Min.
Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) war eine treibende Kraft hinter der Laufzeitverlängerung für deutsche Atomkraftwerke. Dieses Engagement könnte ihn nun das Amt kosten.

Atomkraft ja oder nein – auch darüber können die Baden-Württemberger am 27. März abstimmen. Im Gegensatz zu Grünen, SPD und Linkspartei stand die CDU – wie die FDP – mit allem Nachdruck zur Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke. Seit der Atomkatastrophe in Japan schlägt Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) nachdenkliche Töne an. Die Opposition allerdings glaubt nicht, dass die baden-württembergische CDU nach dem dreimonatigen Moratorium tatsächlich den Weg frei macht für einen möglichst raschen Umstieg in erneuerbare Energien.

Lange hatte Mappus sich bemüht, die Atompolitik aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Lieber sprach er von tollen Wirtschaftsdaten und guten PISA-Ergebnissen. Als Freund der Atompolitik gehörte er im vergangenen Sommer zu den treibenden Kräften in der CDU, die für die Laufzeitverlängerung stritten. Er und seine Parteifreunde spulten das Mantra von der »Brückentechnologie« ab, die man brauche, bis erneuerbare Energien ausreichend zur Verfügung stünden. Nach dem GAU in Fukushima könnte Mappus sein Atom-Engagement auf die Füße fallen. Und die Grünen dürfen auf den einen oder anderen Prozentpunkt zusätzlich hoffen. Da genau diese ein oder zwei Prozent den entscheidenden Unterschied machen könnten, bedeutet die neue Entwicklung für die CDU eine Katastrophe. Ihr droht der Verlust von Pfründen, die in 58 Jahren CDU-Regierung aufgebaut wurden. Und ausgerechnet Mappus, der manchem Christdemokraten als Hoffnungsträger für den konservativen Teil der Partei galt, könnte der erste baden-württembergische Ministerpräsident werden, der abgewählt wird.

In Baden-Württemberg stehen vier Atomkraftwerke, das älteste ist Neckarwestheim I bei Heilbronn. Als die Deutsche Umwelthilfe vor zwei Monaten darauf aufmerksam machte, dass in dem 35 Jahre alten Meiler Sicherheitsnachrüstungen fehlten, erklärte das Umweltministerium von Tanja Gönner (CDU) reflexartig, diese Warnung sei »Panikmache«. Nun findet Mappus das dreimonatige Aussetzen der Laufzeitverlängerung plötzlich »mutig und vernünftig«. Im Landtag verkündete er die »dauerhafte« Stilllegung von Neckarwestheim 1. Philippsburg 1 soll vorübergehend vom Netz genommen werden. Er wolle nun über alles ergebnisoffen reden, behauptet der Ministerpräsident. Die Opposition glaubt dem Freund der Stromkonzerne nicht. Es ist noch nicht lange her, dass Mappus ähnlich agierte. Über alles reden, sämtliche Fakten auf den Tisch – diese Mappus-Floskeln kennen die Stuttgart-21-Gegner aus der Schlichtung und sie wissen, wie sie endete: Faktisch ist alles wie vorher und die schwarz-gelbe Landesregierung kann sich beim Bau des unterirdischen Bahnhofs nun zusätzlich auf einen angeblich objektiven Schlichterspruch berufen.

Misstrauen schlägt dem 44-jährigen Ministerpräsidenten entgegen. Grünen-Spitzenkandidat Winfried Kretschmann erinnert daran, dass Mappus im vorigen Jahr den Rücktritt des Bundesumweltministers aus der eigenen Partei gefordert hatte, weil der kein so eifriger Verfechter der Laufzeitverlängerung war und ist. Und SPD-Spitzenmann Nils Schmid sieht im augenblicklichen Zurückrudern von Mappus und seiner Partei »Tricks, um sich über die Wahl zu retten«. SPD und Grüne fordern, auch Philipsburg 1 sofort und endgültig still zu legen. Zudem soll die Laufzeitverlängerung nicht nur ausgesetzt, sondern endgültig zurückgenommen werden.

Die Zweifel an Mappus rühren auch von den Besitzverhältnissen an den baden-württembergischen AKW. Alle vier gehören dem Konzern EnBW. Da ist das Land seit dem umstrittenen Deal des Ministerpräsidenten zu 45,01 Prozent Miteigentümer und hat somit ein vitales Interesse an Gewinnmaximierung des Unternehmens.

Die Oppositionsparteien jedenfalls können in der aktuellen Lage guten Gewissens auf ihre Parteiprogramme verweisen. Darin versprechen sie den möglichst schnellen Ausstieg aus der Atomenergie in Baden-Württemberg und Programme zum Ausbau erneuerbarer Energien. Die CDU dagegen bezeichnet in ihrem Wahlprogramm die Kernenergie »als verlässliche, kostengünstige und klimafreundliche Brückentechnologie«.

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