Löschen und Sperren

Gestern Kinderpornos. Heute Filesharing. Und morgen?

  • Lesedauer: 2 Min.
Die Infrastruktur für Websperren steht. Sie wird in Deutschland, einem populären Vorurteil zum Trotze, durchaus genutzt – bis auf Weiteres nur im Zusammenhang mit kinderpornografischem Content.
Websperren – allein die Möglichkeit weckt Begehrlichkeiten. Erfordern sie doch eine Infrastruktur, die sich »auch für eine umfassende Zensur verwenden ließe«, wie der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar vor zwei Jahren betonte. In Deutschland brachten Konservative Websperren als angeblich adäquates Mittel gegen die Verbreitung von Kinderpornografie in Stellung: Deutschen Nutzern sollte der Zugang zu ausländischen Webseiten verwehrt sein, auf denen das Ekelmaterial zum Download bereit stand. Basis: eine permanent erneuerte Liste des Bundeskriminalamtes. Gelöscht werden sollten die Inhalte nicht.

Bei diesen Websperren sollte es nur um Kinderpornografie gehen, wurde den Kritikern entgegen gehalten. Doch die Öffentlichkeit wurde offensiv manipuliert. In England sind sie schon einen Schritt weiter. Dort soll es Filesharing-Börsen wie »The Pirate Bay« an den Kragen gehen. Fordern zumindest – statt über ein moderneres Vermarktungsmodell nachzudenken – die Hersteller von Filmen und Musik.

Wie wollen sie den Zugang zum kostenlosen Content beschneiden? Über Websperren. Natürlich. Und Deutschland? Zwar wurde das Zugangserschwerungsgesetz, 2009 zu Zeiten der Großen Koalition beschlossen, per Ministererlass ausgesetzt, nachdem die websperren-kritische FDP in die Bundesregierung kam. Zwar zeigen neuere Statistiken des Bundeskriminalamtes: 68 Prozent aller von deutschen Behörden angezeigten kinderpornografischen Inhalte werden binnen einer Woche aus dem Netz entfernt, 99 Prozent binnen eines Monats. Das Prinzip »Löschen« funktioniert also. Zwar sagt die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, sie wolle das vermaledeite Gesetz möglichst schnell abschaffen. Zwar sind, was das Gesetz betrifft, auch der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière, die Junge Union und die CSU-Vize-Generalsekretärin Dorothee Bär skeptisch bis vehement ablehnend.

Doch das BKA verfährt seit einiger Zeit nach dem Motto: »Sperren bis zur Löschung«. Begründung: Bis zum Löschen der Webseiten hätten diese »immense Zugriffszahlen«. Sie blieben eine »zu lange Zeit aufrufbar«. Die Sperr-Infrastruktur – sie steht. So lange das der Fall ist, wird sie weitere Begehrlichkeiten wecken: Gestern Kinderpornos. Heute Filesharing. Und morgen?
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