Überbauung eines fremden Grundstücks – erlaubt oder verjährt?

Urteil des Bundesgerichtshofs

  • Lesedauer: 4 Min.
Der BGH hat anhand eines typischen Falles der Überbauung eines fremden Grundstücks zu DDR-Zeiten richtungsweisende Feststellungen für derartige Fälle getroffen (Urteil vom 28. Januar 2011, Az. V ZR 147/10).

Der Fall ist so simpel wie häufig anzutreffen: Die Klägerin war in Erbfolge im Jahre 2004 Eigentümerin eines Grundstücks geworden. Die beklagten Nachbareigentümer hatten im Jahre 1976 eine Garage mit Aufenthaltsraum errichtet, die mit rund 10 m² überbauter Fläche zum Teil auf dem Grundstück der Klägerin steht. Die Klägerin war erst im Jahre 2008 mit ihrem Anliegen auf Beseitigung der Garage und Herausgabe der Fläche zum Gericht gegangen.

Da die Beklagten unter anderem Verjährung eingewandt hatten, aber auch zur Instandsetzung der Garage ein Betreten des Grundstücks der Klägerin in Ausübung des Hammerschlags- und Leiterrechts nach dem Sächsischen Nachbarrechtsgesetz (SächsNRG) geltend gemacht hatten, hat der BGH sich umfassend über wechselseitige Ansprüche in dieser Konstellation geäußert. Die Sache selbst wurde an das vorinstanzlich befasste Gericht zurückverwiesen.

Zu klären ist nun, ob es sich – wie von den Erbauern der Garage behauptet – um einen genehmigten Überbau handelte.

Folgende Grundsätze hat der BGH für solche Überbauungen in den neuen Bundesländern aufgestellt:

1. Eine – nicht formbedürftige – Gestattung durch den Eigentümer des überbauten Grundstücks schließt die Rechtswidrigkeit des Überbaus aus. Er muss den dem Nachbarn gehörenden Gebäudeteil auf seinem Grundstück dulden. Ein Grundstückseigentümer, der vorbehaltlos und unbefristet einen Überbau gestattet, kann weder dessen Beseitigung noch die Herausgabe der überbauten Fläche von seinen Nachbarn verlangen.

2. Der Erbe eines Eigentümers, der einen Überbau gestattet hat, ist nach § 1922 Abs. 1 BGB an diese Zustimmung zum Überbau gebunden. Für den Grundstückserwerber aufgrund eines schuldrechtlichen Vertrages (also den Käufer eines Grundstückes) gilt die Duldungspflicht nach § 912 Abs. 1 BGB auch für vor dem 3. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet errichtete Überbauten.

3. Der Beseitigungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB) kann verjähren, und zwar innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB), so dass eine Beseitigung nicht mehr durchgesetzt werden kann. Greift die Verjährung, wie im hiesigen Falle, steht dem überbauenden Nachbarn kein Recht zum Besitz des überbauten Teils des Grundstücks zu und er hat lediglich ein Wegnahmerecht. Wenn der Überbauende dies nicht nutzen will, der Eigentümer des überbauten Grundstückes diesen Überbau jedoch weghaben will, muss er selbst den auf seinem Grundstück befindlichen Teil des Gebäudes abreißen.

Dies sind die Grundsätze – wie das praktisch aussehen soll, dazu hat sich der BGH naturgemäß nicht geäußert. Letztlich wird es darauf hinauslaufen, dass die Garage, die zum Teil auf dem überbauten Grundstück steht, in Gänze nicht mehr nutzbar sein wird. Jedenfalls hat der überbauende Nachbar bei Eingreifen der Verjährung selbst nichts mehr auf dem überbauten Grundstück abzureißen, wenn er nicht will. Nutzen kann er den Überbau aber auch nicht mehr.

4. Kann der Eigentümer des mit der Garage überbauten Grundstücks zwar nicht deren Beseitigung, aber die Herausgabe der überbauten Fläche verlangen, so steht dem überbauenden Nachbarn auch kein Betretungsrecht des Grundstücks in Ausübung des nachbarrechtlichen Hammerschlags- und Leiterrechts zur Sanierung der Garagenwand zu, jedenfalls wenn der Eigentümer des überbauten Grundstücks dies nicht will.

5. Grundsätzlich ist bei der Bemessung der Überbaurente der Verkehrswert der überbauten Bodenfläche im Zeitpunkt der Grenzüberschreitung die maßgebliche Bemessungsgrundlage. Daraus ist eine Überbaurente als angemessene Verzinsung zu ermitteln. Allerdings ist in den neuen Bundesländern nicht anhand der in der DDR gezahlten Preise eine Rente zu berechnen. Für erstmals nach dem Beitritt am 3. Oktober 1990 zu bemessende Überbaurenten ist der Bodenwert maßgeblich, der sich für ein im gleichen Zustand und vergleichbarer Lage gelegenes Grundstück in den alten Bundesländern im Zeitpunkt der Grenzüberschreitung ergibt.

Diese Schwierigkeiten der Rentenbemessung wird der berechtigte Eigentümer wohl nur durch eine Begutachtung gerichtsfest überwinden können.

Fazit

Im Einzelfall muss festgestellt werden, ob ein vom Eigentümer des überbauten Grundstücks genehmigter Überbau vorliegt. In Streitsituationen muss wegen der möglichen Verjährung von Beseitigungsansprüchen zu einer notfalls gerichtlichen Klärung zeitnah zum eigenen Eigentumserwerb geraten werden.

FRANK AUERBACH,

Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Verwaltungsrecht

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