Das »Weiße Rößl« auf Türkisch?

Andreas Homoki über sein Angebot, Operntexte mitlesen zu können / Homoki ist Intendant der Komischen Oper Berlin

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Das »Weiße Rößl« auf Türkisch?

ND: Besucher der Komischen Oper Berlin können die Texte bislang schon in deutscher und englischer Sprache auf Displays in den Rückenlehnen der Sitze verfolgen. Ab September sollen Stücke auch auf Türkisch übersetzt werden?
Homoki : Ja, Türkisch und Französisch.

Können die Zuschauer dann zum Beispiel das »Weiße Rößl« in türkischer Sprache erleben?
Ja klar, jedes Stück.

Also jede Oper wird übersetzt?
Jede Oper! Das ist natürlich ein großer Arbeitsaufwand. Für jedes Stück muss eine Übersetzung erstellt werden. Dann muss der Text formatiert werden, damit er in den Displays darstellbar ist.

Wer übersetzt dafür die Libretti?
Die geben wir bei professionellen Übersetzern in Auftrag.

ist die Übersetzung eines Operntextes in die türkische Sprache schwieriger als in Englisch oder Französisch?
Nein. Warum das denn? Es geht um das, was die Figuren sagen. Das versucht man dann noch ein bisschen zu verknappen, damit man es schnell lesen kann. Das Schöne an der Oper ist ja, dass es sich bei den Themen meist um archetypische Konflikte handelt.

Und wie sieht die technische Umsetzung aus?
Die Displays in den Rückenlehnen der Stühle können von unserer Anlage individuell angesteuert werden.

Bieten schon andere Häuser in Deutschland diesen Service?
Nein, in Deutschland sind wir die Ersten. Aber das Angebot gibt es zum Beispiel schon an der Wiener Staatsoper, an der Met in New York und in Barcelona.. Wir brauchten eine neue Bestuhlung, weil die alte so verschlissen war, dass wir jedes Jahr einen fünfstelligen Betrag aufwenden mussten, um immer wieder auftretende Schäden zu ersetzen. Wir haben das dann aus unserem Etat finanziert. Die Stühle sind speziell für uns konzipiert, stark angelehnt am Charakter der bisherigen Bestuhlung, da wir keine neue Anmutung wollten.

Wer kam auf die Idee?
Wir haben bei Zuschauerbefragungen festgestellt, dass wir zunehmend Besucher aus dem Ausland haben. Aber es gibt auch bei deutschsprachigen Zuschauern das Bedürfnis mitzulesen – selbst wenn Deutsch gesungen wird. Auch Opernneulinge können so den Inhalt leichter verfolgen. Es ist ja nicht so, dass man automatisch in der Oper alles versteht, nur weil Deutsch gesungen wird.

Haben Sie mit diesem Projekt »Oper auf Türkisch« eine spezielle Zielgruppe im Blick?
Natürlich. Der größte Anteil an Berlinern mit Migrationshintergrund sind Türken. Selbstverständlich wurde da auch die Frage diskutiert: Ist das denn eine integrierende Maßnahme oder baut man da eine Brücke, die die Menschen dazu einlädt, gar nicht mehr Deutsch zu lernen? Das sehen wir nicht so, denn die Familien sind in ihren Deutschkenntnissen oft ziemlich heterogen.

Meine Eltern zum Beispiel kommen aus Ungarn und ich habe im Kindergarten auch Deutsch gelernt. Kam dann die Oma aus Ungarn, verstand sie natürlich kein Deutsch. Von daher fand auch kein Theater- oder Kinobesuch mit deutschsprachigen Stücken statt. Warum sollte sie ins Theater gehen? Dort verstand sie nichts. Das Kind verstand, aber die Oma nicht. Mit unserem Angebot wollen wir allen einen Besuch ermöglichen.

Fragen: Andreas Heinz

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