Brückenruine wird Denkmal

Die Dömitzer Bahnüberführung an der Elbe ist seit 1945 zerstört. Die Reste sind jetzt Kulturgut

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Der erste Personenzug dampfte am 18. Dezember 1873 auf der Eisenbahnbrücke bei Dömitz über die Elbe. Am 20. April 1945 zerstörten amerikanische Bomben das Bauwerk. Jahrzehntelang rotteten die Brückenreste vor sich hin. Nun sollen sie als schützenswertes Kulturgut bewahrt und wieder zugänglich gemacht werden.
Die Reste der Dömitzer Eisenbahnbrücke am niedersächsischen Elbufer, vorn rechts die »Kasematte«
Die Reste der Dömitzer Eisenbahnbrücke am niedersächsischen Elbufer, vorn rechts die »Kasematte«

Elende Schufterei erwartete die Arbeiter, die im September 1870 anrückten, um die Brücke für die Bahnstrecke Berlin-Dannenberg-Hamburg zu bauen. Pfeiler im Fluss errichten, eine 1050 Meter lange Stahlbogen-Brücke von Mecklenburg nach Niedersachsen ziehen – und vieles davon buchstäblich per Handarbeit, dazu Zeitdruck: Derart schlimm waren die Arbeitsbedingungen, so zahlreich die Arbeitsunfälle, dass sich Unruhen unter den Beschäftigten entwickelten. Die »Obrigkeit« reagierte sofort, befahl Militär herbei. Soldaten schlugen den »Aufstand« nieder, trieben die Arbeiter wieder ans Werk.

Fußweg vermoderte

Rund 3,6 Millionen Reichsmark hatte die Brücke gekostet, über die 72 Jahre lang Züge rollten und Fußgänger auf einem Bohlenweg neben dem Schienenstrang von Ufer zu Ufer gelangten. Just als in Nazi-Deutschland zum letzten Mal »Führergeburtstag« angesagt war, am 20. April 1945, zerbombten US-amerikanische Flieger sowohl die Bahnbrücke als auch die nahe gelegene Straßenbrücke.

Die Verbindung über die Elbe war zerschnitten – bis zum 18. Dezember 1992. An jenem Tag gab der damalige Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) die neu erbaute Dömitzer Straßenbrücke frei. Und sein niedersächsischer Amtskollege Peter Fischer (FDP) war guter Hoffnung, dass man sich zur Eröffnung der Bahnbrücke wiedersieht. Doch der seinerzeit herrschende Optimismus wich bald nüchternen Zahlen. Experten hatten errechnet: Eine neue Bahnüberquerung könnte über eine Milliarde D-Mark teuer werden. Die Brückenreste blieben, was sie waren: ein Ausflugsziel.

Was war seit 1945 geschehen mit den Resten des einstigen Überwegs? Auf westlicher Seite nur Betrübliches: Die Stahlbögen rosteten vor sich hin, Bohlen des Fußwegs vermoderten, fielen ins Elbvorland. Aus den Pfeilern sprossen Pflanzen und sprengten zum Teil das Mauerwerk. »Die Bundesbahn hat die Brücke verkommen lassen«, ärgert sich der Dannenberger Helmar Süßenbach vom »Freundeskreis Dömitzer Eisenbahnbrücke«. 1978 ließ die Bahn die noch im Fluss befindlichen Brückenreste beseitigen – »wegen der Schiffssicherheit«.

Die DDR pflegte ihren Brückenteil noch eine Zeit lang, gönnte den Stahlbögen einen Schutzanstrich. Doch schließlich wurden auf Dömitzer Seite alle noch verbliebenen Brückenelemente abgerissen. 2010 wollte die Deutsche Bahn die Brücke per Versteigerung loswerden. Viele Lüchow-Dannenberger befürchteten seinerzeit, dass ein Schrotthändler das historische Bauwerk kauft und die Bögen in den Schmelzofen wandern lässt.

Die »Rettung« kam in Person eines niederländischen Unternehmers: Toni Bienemann aus Arnheim ersteigerte die Brücke für 305 000 Euro. Der Manager einer Finanzholding, die sich mit Industrie- und Immobilienprojekten befasst, hatte die Brücke lieb gewonnen als ein Symbol der Verbindung von Ost und West. Ein Hintergrund dieses Empfindens, so erläuterte der Unternehmer, seien seine guten Erfahrungen mit Ost-West-Geschäften, so mit China. Bienemann will nun die »Kasematte« – ein wehrhaft gestaltetes Gebäude an der Brückenzufahrt – so herrichten lassen, dass es man es ab August 2011 wieder betreten und etwa für kulturelle Ereignisse nutzen kann. Zugleich soll der Fußweg neben der ehemaligen Schienenstrecke wieder begehbar gemacht werden – vorerst bis zum zweiten Brückenbogen. Dafür sei mit einem Kostenaufwand von 15 000 Euro zu rechnen, meint Dannenbergs Stadtdirektor Jürgen Meyer.

Viele Freunde des Bauwerks würden es begrüßen, wenn man auf dem Fußweg wieder bis zum Ende des verbliebenen Brückenteils, also fast bis zur Elbe gehen könnte.

Schild am Eingangshaus

Doch die entsprechende Sanierung würde etwa 250 000 Euro kosten. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Er habe noch so manche Idee, verriet Bienemann, als er am Montag im Dannenberger Rathaus ein Schild präsentierte, das der Brücke zuerkannt wurde und an ihrem »Eingangshaus« befestigt werden soll: das internationale blau-weiße Denkmal-Kennzeichen, das die Dömitzer Eisenbahnbrücke künftig als besonders geschütztes Kulturgut ausweist.

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