Schornsteinfeger alter Schule

GARTENTIERE: Buntspecht findet Würmer auf geheimnisvolle Weise

  • Prof. Dr. Ulrich Sedlag, Zoologe
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Großen Buntspechte des Gartens erinnern mich irgendwie an Schornsteinfeger alter Schule, die ihren Beruf noch hauptsächlich in luftiger Höhe ausübten und von Dach zu Dach ein bestimmtes Revier betreuten. Ein solches haben offenbar auch unsere Spechte, die regelmäßig die Bäume des Gartens pflegen. Es scheint, als sei es immer derselbe, doch in den vielen Jahren ist das Geschäft zweifellos schon mehrfach an Söhne oder Töchter übergegangen. Beide haben zunächst eine rote Kappe, die bei den Männchen später auf ein rotes Nackenband schrumpft und bei den Weibchen ganz verschwindet (Foto: dpa).

Spechte singen nicht; oft hört man sie scharf »tschick« oder »kix« rufen. Dass sie auch andere Laute hervorbringen können, hört man gelegentlich im Wald, wenn in tiefer Bruthöhle gut geschützte Jungvögel lauthals Futter erbetteln. Vor allem aber machen sich Spechte durch Hämmern mit ihrem starken Schnabel bemerkbar. Dabei kann es sich auch um Trommelwirbel handeln, die einen Revieranspruch verkünden und Partner anlocken. Solche Trommelwirbel hören wir im Garten kaum, da er nicht in einem Brutrevier liegt.

Der Große Buntspecht und seine nächsten Verwandten ernähren sich vielseitig, von Samen, vor allem solchen, die sie in den Zapfen von Nadelbäumen finden. Weiterhin naschen sie Baumsaft, verspeisen Kleintiere, die sie an Baumstämmen ablesen, sowie Insekten, die im Holz verborgen sind. Das können Borkenkäfer sein, die es in unserem Garten nicht gibt, oder die wesentlich größeren Larven von Bockkäfern oder Raupen. Mit seiner langen, klebrigen und mit Widerhaken ausgestatteten Zunge kann ein Specht tief in die Fraßgänge seiner Opfer eindringen und diese herausziehen.

Ich habe in der Literatur bisher keine überzeugende Erklärung dafür gefunden, wie er die verborgenen Tiere findet. Er müsste außergewöhnlich gut hören können, um Nagegeräusche wahrzunehmen. Eher wahrscheinlich ist es, dass er durch Änderung des Klopfgeräusches Fraßgänge erkennen kann. Allerdings dürfte ein großflächiges Abklopfen von Stämmen und starken Ästen kaum in Frage kommen. Nüsse und Zapfen können nur bearbeitet werden, wenn sie irgendwie festgeklemmt werden. Das kann eine Rindenritze ermöglichen, oft wird auch ein passendes Loch geschlagen. Am Boden liegende Nussschalen oder bearbeitete Zapfen verraten eine immer wieder benutzte, als Spechtschmiede bezeichnete Werkstatt. Nicht verschwiegen sei, dass Spechte manchmal auch Eier und kleine Jungvögel erbeuten.

Nur selten zeigt sich im Garten ein prächtig grün gefärbter und auf dem Kopf rot gefiederter Grünspecht. Dieser macht dem Buntspecht keine Konkurrenz, denn es ist ein Bodenspecht, der sich weitgehend von Ameisen ernährt, die er mitunter im Rasen findet. Akustisch verrät er sich durch lautes Gelächter, wie man es von keinem anderen heimischen Vogel hört.

Übrigens: Nachdem das Vorstehende schon niedergeschrieben war, entdeckte ich, dass zum ersten Mal und teilweise offenbar mit Erfolg jemand an zwei der seit Jahrzehnten den Bienen angebotenen Nistblöcke (»Insektenhotels«) herumgehackt hatte. Wer anders sollte das gewesen sein als unser Buntspecht?

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