Ende eines Dinosauriers?

Eigenes Auto für jüngere Leute kein Statussymbol mehr

  • Roland Mischke
  • Lesedauer: 3 Min.
Nur noch ein Drittel der Berliner fährt Auto. Das steht durchaus für einen allgemeinen Trend. Das Automobil hat als Statussymbol längst seinen Glanz verloren. Forschern zufolge wird es bis 2025 den Individualverkehr in der heutigen Form nicht mehr geben.

In Berlin, Deutschlands größter Stadt, gibt es 1,1 Millionen Autos, verteilt auf 3,4 Millionen Einwohner – ein bundesweiter Spitzenwert nach unten. Noch nie gab es so wenige Autos in einer Metropole. In München sind es – zum Vergleich – immerhin noch 548 Autos pro 1000 Einwohner, in Stockholm 520, in Paris gar nur 483. Berlin toppt alle europäischen Großstädte: Dort ist diese Zahl mittlerweile noch niedriger.

»Sogar bei jungen Leuten geht der Trend weg vom Pkw«, wundert sich Verkehrsstaatssekretärin Maria Krautzberger (SPD). Die jüngst erschienene Senatsstudie »Mobilität der Stadt – Berliner Verkehr in Zahlen« zeigt einen gewaltigen Umbruch. Denn Berlin steht durchaus für einen bundesweiten Trend: Das Automobil hat als Statussymbol seinen Glanz verloren.

Für andere deutsche Groß- und Mittelstädte liegen noch keine exakten Zahlen vor. Aber Berlin ist seit 2010 Europas Pkw-ärmste Metropole. Der Berliner verbringt auf dem Weg zur Arbeit, zu Schule und Uni, zum Einkaufen oder anderen Zwecken im Schnitt 70 Minuten pro Tag im Verkehr und legt dabei 20 Kilometer zurück. Mit dem Auto tun das aber nur noch 31 Prozent der Bevölkerung – sechs Prozent weniger als vor zehn Jahren. Fast ebenso viele gehen zu Fuß (30 Prozent), andere benutzen Bus, S- und U-Bahn (26 Prozent) oder das Fahrrad (13 Prozent).

Verkehrsforscher sagen, dass es 2025 den Individualverkehr in der heutigen Art nicht mehr geben wird. Der in Braunschweig lehrende Mobilitäts- und Zukunftsforscher Stephan Rammler kennt den Grund dafür: In den nächsten Jahren werden sich Benzin und Diesel extrem verteuern, weil es immer weniger Erdöl gibt. »Darauf muss sich die Politik bereits heute einstellen«, so Rammler. Das heißt: Verzicht auf den Neubau von Straßen, mehr Mittel in den Ausbau des Nahverkehrs.

Es ist nicht nur die rasante Verteuerung des Autobesitzens – seit dem Jahr 2000 um 35 Prozent –, das vor allem junge, oft in unsicheren Jobs tätige Leute davon abhält, sich einen fahrbaren Untersatz zuzulegen. Das Auto ist auch nicht mehr die Ikone moderner Mobilität, es verliert an kulturellem Wert.

Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) belegte bereits 2008, dass 18- bis 24-Jährige das Auto um zwölf Prozent weniger nutzen als noch 2002. Das Deutsche Mobilitätspanel beim Karlsruher Institute of Technology (KIT) bezeichnet die Entwicklung als »in ihrer Deutlichkeit eher unerwartet«. 1998 hatten noch knapp 90 Prozent der jungen Leute bis 25 den Führerschein in der Tasche, 2008 waren es nur noch 75,5 Prozent. Und jedes Jahr werden es weniger.

Glaubt man den Szenarien der Zukunftsforscher, zu denen auch das renommierte Fraunhofer-Institut gehört, ist der drastische Rückgang des Individualverkehrs via Pkw unaufhaltsam. Das sei, so die Experten, schon aufgrund der sinkenden Bevölkerungszahlen und der zunehmenden Alterung absehbar. Am meisten werden aber die gewaltig ansteigenden Energiekosten das Ende des Dinosau-riers beschleunigen. Er ist zu gefräßig geworden, braucht zu viel Platz und macht zu viel Dreck.

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